Arbeitszeiten jetzt aufzeichnen! Die ersten Behörden greifen durch
"Stellen Sie sicher, dass zukünftig die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten aller Ihrer Beschäftigten nachvollziehbar aufgezeichnet werden." Das verlangt die Arbeitsschutzbehörde in ihrem Bescheid an einen Betrieb. Auf das neue Gesetz zu warten, ist daher keine gute Idee.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitszeit erfassen - aber wie?
Auch wenn der Gesetzentwurf immer noch nicht verabschiedet wurde: Unternehmen müssen die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten schon jetzt aufzeichnen, sie dürfen nicht länger zögern. Denn schon heute kann die Arbeitsschutzbehörde eine Zeiterfassung anordnen. So geschah es einem Hamburger Betrieb, der keine Arbeitszeiten aufzeichnete. Wer eine solche Anordnung nicht befolgt, riskiert ein hohes Bußgeld.
Der Fall
Ein Unternehmen beschäftigte seine Mitarbeiter oberhalb der Teamleiterebene in Vertrauensarbeitszeit, deren Arbeitszeit wurde nicht erfasst. Ein Mitarbeiter beschwerte sich darüber bei der Arbeitsschutzbehörde. Diese kam daraufhin in den Betrieb und ordnete Folgendes an:
"Senden Sie mir die Arbeitszeitaufzeichnungen Ihrer Beschäftigten für diesen Standort für die Monate März bis September 2023 zu. (§ 17 Arbeitszeitgesetz - ArbZG).
Stellen Sie sicher, dass zukünftig die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten aller Ihrer Beschäftigten nachvollziehbar aufgezeichnet werden. Aus den Aufzeichnungen müssen mindestens der tägliche Arbeitsbeginn, das Arbeitsende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit hervorgehen (vgl. BAG-Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Senden Sie uns nach Ablauf der unten genannten Frist, die Arbeitszeitaufzeichnungen Ihrer Beschäftigten für die bislang keine Arbeitszeiten aufgezeichnet wurden für die Monate November und Dezember 2023 zu (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG)“.
Das Unternehmen klagte gegen die behördliche Anordnung vor dem Verwaltungsgericht.
Das Urteil
Die Richter entschieden, dass die Arbeitsschutzbehörde richtig handelte, als sie die Zeiterfassung anordnete. Denn nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bestehe die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten bereits heute, auch ohne eine Gesetzesreform. Diese Pflicht ergebe sich unmittelbar aus § 3 Absatz 2 Nummer 1 Arbeitsschutzgesetz, betonte das Verwaltungsgericht.
Es komme auch nicht darauf an, wie die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und seinen Beschäftigten – durch bestehende oder noch zu treffende Betriebsvereinbarungen – im Einzelnen ausgestaltet seien.
Betriebe können selbst entscheiden, welche Methode sie wählen
Die Anordnung der Arbeitsschutzbehörde gab keine bestimmte Form der Arbeitszeiterfassung vor. Damit war diese Anordnung laut Gericht rechtmäßig. Denn der Betrieb habe damit einen weiten Gestaltungsspielraum, ein für seine Arbeitszeitmodelle passendes System einzuführen.
Das Hamburger Unternehmen muss der Anordnung der Arbeitsschutzbehörde folgen. Verstößt es dagegen, riskiert es ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro. Die Entscheidung zeigt, das Unternehmen die Pflicht zur Zeiterfassung ernst nehmen sollten.
Urteile sind Auslöser
Ein Gesetzentwurf, der die Pflicht zur Zeiterfassung konkretisieren soll, wird seit März 2023 innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Ob er noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, ist nicht erkennbar. Arbeitgeber sind aber schon heute verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Belegschaft zu erfassen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits in einer viel beachteten Entscheidung Mitte September 2022 klargestellt. Die bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems genügt nicht. Voran gegangen war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das eine Erfassung der Arbeitszeiten verlangt.
Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 21. August 2024, Az.15 K 964/24
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Das "Stechuhr-Urteil" des EuGH Die Arbeitszeiten der Beschäftigten müssen durch ein verlässliches System gemessen werden. Das sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 14. Mai 2019, Az C-55/18. Alle EU-Mitgliedstaaten der EU müssten die Unternehmen verpflichten, die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Nur so ließe sich überprüfen, ob die zulässigen Höchstarbeitszeiten überschritten würden. Bekannt wurde der Richterspruch in den Medien als das "Urteil zur Rückkehr der Stechuhr".
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) verlangt vom deutschen Gesetzgeber Ausnahmen für kleine Betriebe und betont, dass der EuGH diese ausdrücklich für kleinere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugelassen hat. In dem EuGH-Urteil heißt es, dass die nationalen Gesetze "den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung tragen" könnten.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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