Konflikte unter Kollegen: Der Chef muss seine Leute schützen
Die Belegschaft fordert, dass ein bestimmter Kollege entlassen wird. Der Arbeitgeber muss sich in einem solchen Fall schützend vor den Betroffenen stellen, urteilte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Kündigung: So geht’s richtig
Konflikte im Betrieb gibt es immer mal wieder. Doch wenn diese sich zu einem Mobbing eines Einzelnen entwickeln, muss der Vorgesetzte eingreifen. Kommt es so weit, dass die Mitarbeiter die Kündigung des Betroffenen verlangen – Juristen nennen das eine Druckkündigung – darf der Arbeitgeber diesem Druck nicht ohne weiteres nachgeben. Der Chef muss sich schützend vor den Arbeitnehmer stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn schwere wirtschaftliche Schäden drohen und die Kündigung das einzig mögliche Mittel ist, kann diese ausnahmsweise gerechtfertigt sein. Das entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.
Der Fall
Ein Unternehmen sah sich mit einer schwierigen Situation konfrontiert: Ein langjähriger Mitarbeiter, dessen Anstellung durch tarifvertragliche Regelungen nahezu unkündbar war, bildete den Mittelpunkt eines Konflikts, der sich über mehr als zehn Jahre hinzog. Die Lage spitzte sich zu, als eine große Zahl seiner Kolleginnen und Kollegen dem Arbeitgeber ein Ultimatum stellte: Entweder werde der betreffende Mitarbeiter versetzt – oder sie würden geschlossen kündigen.
Angesichts der drohenden Lähmung des Betriebs sah sich der Chef gezwungen, zu einem drastischen Mittel zu greifen: Es sprach eine außerordentliche Kündigung gegen den Mitarbeiter aus. Dieser erhob Kündigungsschutzklage, die schließlich vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen verhandelt wurde.
Das Urteil
Das Gericht gab dem Mitarbeiter Recht: Seine Kündigung sei unwirksam. Der Arbeitgber habe keinen wichtigen Kündigungsgrund gehabt.
Der Betroffene habe weder mit seinem Verhalten einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben, noch seien Voraussetzungen einer Druckkündigung erfüllt. Diese setze voraus, dass der Arbeitgeber sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer gestellt und alles Zumutbare versucht habe, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Außerdem muss sie das einzige in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden.
Zu wenig für Deeskalation getan
In dem verhandelten Fall sah das Gericht aber kein konkretes und aktives Handeln des Arbeitgebers, um das angespannte Betriebsklima zu retten. Er habe nicht genug getan, um den Konflikt aktiv zu deeskalieren. Maßnahmen wie interne Schreiben, eine Bereichsversammlung oder ein vage gebliebenes Mediationsangebot reichten dem Landesarbeitsgericht nicht aus. Der Arbeitgeber habe nicht überzeugend dargelegt, welche konkreten Bemühungen er unternommen habe, um die Belegschaft zu befrieden.
Der Rauswurf ist laut Gericht auch angesichts der Konflikte in den vergangenen Jahren nicht aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Vielmehr sei sie unverhältnismäßig. Der Chef hätte zuvor konkrete Pflichtverletzungen des Mitarbeiters abmahnen müssen, so das Urteil.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 13. Mai 2025, Az. 10 SLa 687/24
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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