Diesel-Skandal: BGH deutet käuferfreundliches Urteil an
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seiner ersten mündlichen Verhandlung zum VW-Dieselskandal verbraucherfreundlich gezeigt. Ein Urteil hat er noch nicht verkündet.
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Erstmals hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Schadensersatzklage im Diesel-Abgasskandal beschäftigt. Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters befand in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Argumente von Volkswagen für unzutreffend. Allerdings hält der BGH es auch für gerechtfertigt, dass der Autokäufer für die Nutzung des Fahrzeugs eine Entschädigung leisten muss. Ein Urteil fällten die obersten deutschen Zivilrichter am 5. Mai noch nicht. (Aktenzeichen VI ZR 252/19).
Der Fall
Es ging um einen manipulierten VW Sharan mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Der Kunde hatte den PKW im Jahr 2014 als Gebrauchtwagen bei einem freien Händler gekauft. Ein Jahr später räumte VW ein, die Abgasgrenzwerte durch Verwendung einer bestimmten Abschalt-Software manipuliert zu haben. Dadurch haben die Fahrzeuge in Testsituationen einen geringeren Schadstoffausstoß vorgegeben, als es im tatsächlichen Straßengebrauch der Fall war.
Das Kraftfahrtbundesamt forderte VW auf, die Abschalteinrichtung zu beseitigen. Der Käufer sah sich getäuscht und klagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrages samt Rückzahlung des Kaufpreises von rund 31.500 Euro. Im Juni 2019 sprach das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz ihm eine Entschädigung in Höhe von 25.616,10 Euro nebst Zinsen für die Rückgabe seines Fahrzeugs zu. Rund 6.000 Euro zogen die Richter in Anrechnung der bereits vom Käufer gefahrenen Kilometer als Nutzungsvorteil ab.
Die Konsequenz
"Der BGH hat sich heute im Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal in aller Ausführlichkeit verbraucherfreundlich positioniert und scheint unserer Argumentation weitestgehend zu folgen”, kommentiert Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei für den Fall verantwortlich ist und insgesamt rund 21.000 Mandanten im Dieselskandal vertritt.
Insgesamt wird das BGH-Urteil für sämtliche Halter von manipulierten Dieselfahrzeugen relevant sein, denn der Bundesgerichtshof wird erstmals seine finale Rechtsauffassung zu diesem Thema mit der Öffentlichkeit teilen. Zukünftig werden sich sämtliche deutschen Amts-, Landes- und Oberlandesgerichte in ihren Urteilen im VW-Dieselskandal auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof beziehen.
Auch für die VW-Käufer, die sich in der Musterfeststellungsklage des Verbraucherschutzverbandes den Vergleich mit dem Autohersteller ablehnten, kann es ein erfolgreiches Ende geben, wenn sie selbst vor Gericht ziehen.
Schon im Februar 2019 hatte der BGH in einem Hinweisbeschluss verkündet, dass er Dieselautos mit manipulierter Software für fehlerhaft hält.
Auch Europarichter fällen bald ein Urteil
Es kann noch dramatischer kommen für die Autobauer: Am 30. April 2020 hat die Generalanwaltschaft des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Schlussantrag verkündet, dass sämtliche Fahrzeugfunktionen als illegale Abschalteinrichtungen gelten, wenn diese im Realbetrieb zu einem höheren Abgasausstoß führen als auf dem Prüfstand. Zahlreiche Autobauer – darunter BMW, Mercedes-Benz und Volvo – haben Abschalteinrichtungen verbaut.
Tests haben zudem ergeben, dass auch die manipulierten VW-Dieselfahrzeuge nach der Durchführung des verpflichtenden Software-Updates nur bei bestimmten Temperaturen tatsächlich sauber sind. Sollten die Richter des EuGH dieser Rechtsauffassung in ihrem baldigen Urteil folgen, würden allein in Deutschland Millionen Fahrzeug-Rückrufe und damit eine Klagewelle drohen.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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