Auf Kosten der auswärtig untergebrachten Azubis
Azubis aus Splitterberufen haben es schwer. Nicht nur, dass die Berufsschule weit weg liegt. Oft bleiben die meisten Kosten für Unterbringung, Verpflegung sowie An- und Abreise an ihnen hängen. Ein Unding!
Vielen Azubis aus Splitterberufen stellen sich hohe Hürden in den Weg. Oft kann in ihrer Nähe keine eigene Berufsschulklasse eingerichtet werden. Unterrichtet wird deshalb blockweise in Bezirks-, Landes- oder Bundesfachklassen. Dazu müssen die Junghandwerker reisen, sich eine Bleibe suchen und um etwas zu essen kümmern. Das belastet den Geldbeutel – meistens den eigenen, den der Eltern oder des Ausbildungsbetriebs.
Angehende Rollladen- und Sonnenschutzmechatroniker werden an Berufsschulen in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unterrichtet. Das Einzugsgebiet der vier Standorte ist zum Teil riesig. "Beim Hans-Schwier-Berufskolleg in Gelsenkirchen reicht es von Aachen bis Frankfurt/Oder und von Bonn bis Flensburg", erklärt Ingo Plück vom Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz. Wer in der Ruhrgebietsstadt beschult wird, kann sich in einem Gästehaus gleich neben der Berufsschule einmieten. Für Kost und Logis fallen wöchentlich mindestens 166 Euro an. "Pro Schuljahr sind unsere Auszubildenden bis zu sieben Mal für jeweils mehrere Wochen in einer Berufsschule." Macht im Schuljahr mehrere tausend Euro. Bis zum Ende der Lehrzeit können die Ausgaben ohne Weiteres 10.000 Euro erreichen.
Zuschüsse zum Blockunterricht Eine Übersicht, welche Bundesländer einen Zuschuss für Unterkunft, Verpflegung und Fahrtkosten zahlen, wie hoch er ausfällt und wo er beantragt werden kann, haben wir im Online-Artikel "Zuschüsse zum Blockunterricht der Berufsschule – das zahlen die Bundesländer" auf handwerksblatt.de zusammengestellt.
Betriebe finden keine Auszubildenden mehr
Ganz schön happig für einen jungen Menschen, der durchschnittlich 570 Euro im Monat verdient. "Für viele Auszubildende sind die Kosten ein Problem, weil sie den schulischen Teil der dualen Ausbildung selbst finanzieren müssen." Einige Länder beteiligen sich zwar. Sie zahlen Zuschüsse, "aber eben nicht einheitlich und nicht kostendeckend". Das erschwert auch die Nachwuchsakquise. "So mancher ostdeutsche Betrieb findet wegen der großen Entfernung zur Berufsschule und der damit verbundenen Kosten überhaupt keine Auszubildenden mehr. Das darf nicht sein!", mahnt Ingo Plück.
Gericht urteilt zugunsten eines klagenden Azubis
Das darf nicht sein – hat sich auch ein Berufsschüler aus Baden-Württemberg gesagt und dagegen geklagt, dass das Land nur einen Zuschuss von sechs Euro pro Tag zahlt. Vergangenen Sommer gab ihm der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim Recht. Das Urteil der Richter: Die Praxis des Landes, auswärtig untergebrachten Berufsschülern auf der Grundlage einer Verwaltungsvorschrift lediglich einen Zuschuss zu den Kosten für die auswärtige Unterkunft zu gewähren, sei nicht mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar. Baden-Württemberg sei verpflichtet, die Mehrkosten einer notwendigen Unterbringung und Betreuung hinreichend auszugleichen.
Das ist inzwischen geschehen. Bereits im November wurden rückwirkend zum Schuljahresbeginn 2016/2017 circa 18,5 Millionen Euro bereitgestellt. An den durchschnittlichen Kosten für die Internatsunterbringung von 36 Euro pro Tag beteiligt sich das Land komplett. Damit ist Baden-Württemberg nach Bayern das zweite Bundesland, das einem Richterspruch folgend die Kosten übernimmt.
Bleibt zu fragen, ob der Rest der Republik erst nachzieht, wenn auch dort Betroffene klagen. "Wir würden uns wünschen, dass auch andere Bundesländer unseren Auszubildenden die Kosten für den Besuch einer auswärtigen Berufsschule erstatten", sagt Ingo Plück vom Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz. Schließlich gilt das Grundgesetz nicht nur in Bayern und Baden-Württemberg.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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