Der Streit der Antriebe
Die IAA ist mittlerweile vorbei. Auffällig war das Bemühen der Hersteller um Multi-Energy-Plattformen, die alle Antriebsarten ermöglichen.
Es ist schon eine Krux: Eigentlich weiß jeder, dass keiner um Elektromobilität herumkommt, aber die Kunden kaufen sie nicht. Oder besser gesagt, nicht mehr, seit das Einstellen der Förderung der Kauflust ein Ende setzte. Hinzu kommen die üppigen Preise, die – und das gilt vor allem im Nutzfahrzeugsegment – dafür sorgen, dass Käufer lieber doch zwei Verbrenner statt ein Elektroauto kaufen, preislich dasselbe.
Mit einer Multi-Energy-Plattform halten die Hersteller dagegen: Sie erlauben den problemlosen Einsatz aller Antriebsarten, vom klassischen Verbrenner über Wasserstoff bis hin zur Batterie.
Bemühen um Wasserstoff-Antrieb
Foto: © VDA/IAA TRANSPORTATION 2024Die Plattformen nennen sich unterschiedlich, können aber alle das gleiche. Je nach Trend sind diese Plattformen mit der gewünschten Antriebsart problemlos bestückbar. Dabei fällt gerade im Nutzfahrzeugbereich die Präsenz von Wasserstoff-Fahrzeugen auf. Stellantis geht mit seinen Nutzfahrzeugen bereits in die Serienproduktion, das heißt, dort können schon ab sofort Transporter mit Wasserstoff geordert werden. Zwei Jahre Entwicklungsarbeit und vor allem Tests mit 2.000 H2O-Transportern bei ausgewählten Kunden haben das möglich gemacht. Und wer sich umschaut, sieht, dass bei nahezu allen Herstellern, von Renault bis Toyota, Studien oder Prototypen auf dem Stand zu sehen waren.
Tatsächlich ist auf der Industrie der Druck groß, emissionsarme oder eben emissionsfreie Modelle auf den Markt zu bringen. Ab Ende 2025 gelten neue CO2-Grenzwerte für die Anbieter – und reißen sie diese Grenzwerte, drohen milliardenschwere Strafzahlungen an die EU. 15 Milliarden Euro geistern derzeit als Zahl durch die Gremien. Hintergrund: Aktuell dürfen Neuzulassungen noch 115,1 Gramm je Kilometer in die Umwelt blasen, ab 2025 sinkt der Wert auf 93,6 Gramm. Gemeint ist damit der Durchschnittswert aller neu zugelassenen Modelle: Höhere Ausstöße einzelner Modelle können Hersteller durch geringere Ausstöße andere Baureihen kompensieren. Ist der Wert am Ende eines Jahres höher, kommen besagte Strafzahlungen.
Strenge Grenzwerte sind eine Hürde
Foto: © VDA/IAA TRANSPORTATION 2024Die Autoindustrie hat sich dabei selbst das Grab geschaufelt. Sie haben margenstarke, aber entsprechend teure Autos in den Markt gebracht, ein preiswertes Massen-E-Auto gibt es so gut wie bei keinem Anbieter. Sie stecken damit in der Zwickmühle. Verkaufen sie Verbrenner wie bisher, haben sie keine Chance, die neuen Richtwerte einzuhalten. Als Strategie gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten, die E-Autos drastisch im Preis zu reduzieren (weil ein preiswertes Modell in weiter Ferne ist) oder aber die Verbrenner drastisch zu verteuern. Beides kostet Geld, weshalb aktuell die Politik-Drähte heiß laufen: Man möge doch bitte die Grenzwerte nach oben korrigieren oder die Anhebung in die Zukunft schieben.
Das Vorhaben stößt auf scharfe Kritik. Zum einen werfen Kritiker den Herstellern ihre Milliardengewinne vor, die sie nicht in Vorhaben zur Reduzierung der Schadstoffwerte investiert hätten. Sebastian Bock, Geschäftsführer der Umweltorganisation Transport & Environment Deutschland, etwa verweist auf einen Gewinn der Autoindustrie allein in den vergangenen zwei Jahren von 130 Milliarden Euro. Und bekannt sind die besagten Grenzwerte schon seit 2019. Deshalb zahlen auch die Wasserstoff-Modelle auf die Grenzwert-Debatte ein, aber auch für diese Transporter gilt: Sie sind weder in einer ausreichend großen Zahl verfügbar noch preiswert genug, um für Käufer einen Anreiz zu bieten. Hinzu kommt noch die Infrastruktur für das Tanken, die auch noch in den Kinderschuhen steckt.
Konkurrenz aus China
Foto: © VDA/IAA TRANSPORTATION 2024Vor allem aber bekommen die etablierten Hersteller Konkurrenz aus China, die jetzt auch mit Transportern massiv auf den europäischen Markt drängen. Maxus bietet auch eine vollelektrifizierte Flotte über dann vier Baureihen an, neue Anbieter wie Gecko suchen Hände ringend nach Vertriebspartner. Die haben ein Modell im Angebot, das bis zu 1,6 Tonnen Nutzlast bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen bieten soll. "Wir wollen nach Europa und Deutschland", sagt Dominic Liu, Overseas Sales Director von Gecko, man stehe in Verhandlungen und hofft, 2025 in München präsent zu sein.
Etablierte Hersteller wie Renault, Kia, aber auch die hierzulande bekannte chinesische Marke BYD oder Trailer-Spezialist Kögel präsentieren interessante Lösungen für den rein elektrischen Transport. Sie gehen zum Teil noch einen Schritt weiter als nur rein auf Effizienz zu setzen: Die neuen Modelle sollen gefallen. Kein schlechter Ansatz, denn sie werden künftig das Mobilitätsbild im urbanen Raum prägen.
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Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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