Die Krux mit der Umsatzsteuer
Viele Handwerksbetriebe arbeiten auch für Kunden im europäischen Ausland. Die unterschiedlichen Umsatzsteuerregeln machen das oft kompliziert und teuer. Bei der Suche nach einer Lösung tut sich aber was.
Für Unternehmen, die Auslandsgeschäfte tätigen, ist die Umsatzsteuer hochkomplex. Selbst Fachleute müssen jedes Mal überlegen, wo und durch wen die Steuer nun abzuführen ist. Das ist insbesondere für Handwerker im Baubereich ein Problem. Oft müssen sie im Tätigkeitsland einen zweiten Steuerberater engagieren und bezahlen. Je nachdem, welche Leistung erbracht wird, ist das Ganze mehr oder weniger kompliziert.
Bauleistungen auf Grundstücken, egal ob Werklieferung oder Werkleistung, sind in der Regel am Ort des Grundstücks steuerbar und steuerpflichtig. Egal ob der Kunde ein Privatmann ist oder ein Geschäftskunde. Wenn man das herausgefunden hat, muss man sich aber fragen, wer der Steuerpflichtige ist.
Ist es der Unternehmer oder der Kunde? Hier gibt es unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedsstaaten der EU. Eindeutig ist es, wenn der Kunde eine Privatperson ist. Dann ist immer der leistende Unternehmer der Steuerpflichtige, also der Steuerschuldner. Eine Privatperson muss sich nie für die Umsatzsteuer anmelden, es sei denn, es geht um den Kauf neuer Fahrzeuge innerhalb der EU.
Es ist schwierig, die Umsatzsteuer korrekt anzumelden
"Die Schwierigkeit besteht dann darin, die Umsatzsteuer korrekt anzumelden. Man hat andere Formulare, eine andere Sprache und gegebenenfalls andere Regelungen als im Ansässigkeitsstaat. Im Zweifel muss man sich in dem anderen Land einen steuerlichen Berater suchen, der die Sprache des Unternehmers spricht. Insofern wird das dann im Regelfall schon wieder teuer", sagt Simone Schlewitz, Steuerexpertin und Referatsleiterin beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin.
Wenn der Kunde ein anderer Unternehmer ist, geht die Steuerpflicht in der Regel auf den Auftraggeber über. Allerdings gibt es auch hier in der EU verschiedene Regelungen. Manchmal geht die Steuerschuld erst ab einem bestimmten Umsatz über. Manchmal hängt es auch davon ab, ob es sich bei dem Umsatz um eine Bauleistung oder eine Werklieferung handelt.
Wenn das der Fall ist, hat der hiesige Unternehmer es leichter, weil er sich nicht im anderen Staat anmelden muss. Er muss nur darauf achten, eine Nettorechnung zu stellen, in der er auf den Übergang der Steuerschuld hinweist. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Steuer anzumelden und abzuführen. Im Grunde muss man also schon im Vorfeld klären, welche Regelung es zur Steuerschuld in dem jeweiligen Land gibt. Ratsam ist, sich möglichst einen Steuerberater zu suchen, der sich mit grenzüberschreitenden Leistungen gut auskennt.
Man braucht oft noch eine Steuerberater vor Ort
Foto: © Dirk Ercken/123RF.com Für die Anmeldung in dem anderen Staat braucht man unter Umständen noch einen Steuerberater vor Ort. Der Unternehmer kann sich auch an die Außenhandelskammer in dem jeweiligen Land wenden. Wenn der Unternehmer Waren innerhalb der EU liefert, dann muss er die Übergangsvorschriften beachten, die seit 1991 und bis heute in der EU gelten.
Ursprünglich hatte die EU vor, jeden Umsatz, der grenzüberschreitend getätigt wird, wie einen Inlandsumsatz zu behandeln. Die Umsätze sollten also nach dem sogenannten Ursprungslandprinzip versteuert werden. Da Deutschland eine Exportnation ist, hätte die Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip zur Folge, dass bei uns sehr viele Steuern anfallen und in den anderen Ländern entsprechend sehr wenig. Um das auszugleichen, hätte man das Aufkommen entsprechend umverteilen müssen. Damit waren nicht alle Länder einverstanden.
Diese Übergangsvorschriften sehen vor, dass beispielsweise bei einer Warenlieferung nach Frankreich diese in Deutschland als eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wird und der Käufer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern muss. Es gilt somit das sogenannte Bestimmungslandprinzip. Der deutsche Handwerker stellt eine Nettorechnung an seinen Kunden in Frankreich. Dieser errechnet die Steuern selbst und meldet sie bei seinem Finanzamt an. Gleichzeitig kann er sich diesen Betrag als Vorsteuern wieder abziehen, wenn er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Der Lieferer muss dann noch nachweisen, dass der Gegenstand im anderen Land angekommen ist. Er muss vom Käufer eine sogenannte Gelangensbestätigung anfordern. Da reicht eine einfache E-Mail aus. Gleichzeitig muss man die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auftraggebers beim Bundeszentralamt für Steuern nachprüfen, sich schriftlich bestätigen lassen und diese Bestätigung zu den Akten nehmen. Nur dann ist die Lieferung auch wirklich steuerfrei.
Große Reform der Mehrwertsteuer in Europa geplant
Die EU möchte zu einem endgültigen Mehrwertsteuersystem übergehen. Seit Jahren werden dazu Vorschläge entwickelt. Der aktuelle Vorschlag stammt vom 4. Oktober 2017. Darin hat die EU-Kommission dargelegt, dass Milliarden an Steuergeldern verloren gehen, weil das derzeitige System betrugsanfällig ist.
Sie schlägt ein Bestimmungslandprinzip vor, bei dem der Umsatz in dem Mitgliedstaat besteuert wird, in dem der Endverbrauch stattfindet. Von der Idee eines Ursprungslandprinzips ist man abgerückt, da eine Einigung der Mitgliedstaaten hierüber nicht zu erwarten ist.
Künftig soll der Lieferer die Umsatzsteuer im Bestimmungsland anmelden. Geplant ist ein zentrales Internetportal, das es den grenzüberschreitend tätigen Unternehmen erleichtern soll, ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten in anderen europäischen Mitgliedstaaten nachzukommen. In dem Online-Portal können die Unternehmen von zu Hause aus in ihrer Sprache Umsatzsteuer-Erklärungen abgeben (sogenannter One-Stop-Shop). Dieses System wird derzeit schon bei elektronischen Dienstleistungen angewendet. Die Ausdehnung des One-Stop-Shop auf andere grenzüberschreitende Umsätze ist eine langjährige Forderung des Handwerks. Dann muss sich der Unternehmer nicht mehr mit den Finanzbehörden im Bestimmungsland auseinandersetzen.
In einer Übergangsphase sind auch Ausnahmen vom Bestimmungslandprinzip vorgesehen. So gibt es Überlegungen, dass solche Unternehmen, die als besonders zuverlässig gelten, ein Reverse-Charge-System in Anspruch nehmen können, bei dem dann der Erwerber die Steuer im Bestimmungsland anmeldet. Das soll aber nur gelten, wenn sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber sogenannte "zertifizierte Steuerpflichtige" sind. Um diese Zertifizierung zu bekommen, müssen Unternehmen wahrscheinlich einen hohen Aufwand betreiben. "Darüber wird noch zu reden sein", betont Simone Schlewitz, Steuerexpertin beim ZDH. "Das ist für Handwerksunternehmen wahrscheinlich kaum darstellbar."
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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