Die  neue Regelung soll Kassenärzten erlauben, die Arbeitsunfähigkeit auch per Untersuchung in Form einer Videosprechstunde, also ohne persönlichen Besuch, zu attestieren.

Die  neue Regelung soll Kassenärzten erlauben, die Arbeitsunfähigkeit auch per Untersuchung in Form einer Videosprechstunde, also ohne persönlichen Besuch, zu attestieren. (Foto: © Andriy Popov/123RF.com)

Vorlesen:

Krankschreibung per Video-Sprechstunde ab sofort möglich

Betriebsführung

Wer wegen Krankheit im Job fehlt, braucht ein ärztliches Attest. Das kann der Arzt jetzt auch nach einem Video-Chat ausstellen – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Ein persönlicher Arztbesuch zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist nicht mehr zwingend erforderlich. Die bisherigen Regelungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, die einen Besuch in der Arztpraxis vorsahen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss geändert. Sie wurden am 6. Okober im Bundesanzeiger veröffentlicht und sind damit wirksam.

Hintergrund ist das Entgeltfortzahlungsgesetz. Es sagt: "Wenn ein Arbeitnehmer erkrankt und zur Arbeitsleistung verhindert ist, muss der Arbeitnehmer dies seinem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit zudem länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag seinem Arbeitgeber unaufgefordert vorzulegen."

Ärztliches Attest am ersten Tag der Erkrankung zulässig

Der Arbeitgeber ist berechtigt, eine ärztliche Bescheinigung schon eher zu verlangen. Solche Regelungen finden sich in manchen Arbeitsverträgen. "Es ist rechtlich ohne Weiteres zulässig, den Arbeitnehmer anzuweisen, bereits am ersten Tag einer Erkrankung ein ärztliches Attest vorzulegen", erklärt Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

"Die Wirksamkeit dieser Regelung hat das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen bestätigt. Hierzu bedarf es insbesondere keiner Begründung des Arbeitgebers oder eines Missbrauchs durch den Arbeitnehmer in der Vergangenheit. Kommt der Arbeitnehmer dieser Aufforderung nicht nach, so stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die je nach Einzelfall von einer Abmahnung bis hin zu einer Kündigung sanktioniert werden kann". 

Das könnte Sie auch interessieren:

Bislang AU nur bei persönlichem Arztbesuch

Die Ausstellung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist daher für viele erkrankte Arbeitnehmer eine unangenehme Pflicht, die sich etwa wegen einer Erkältung in eine überfüllte Arbeitspraxis begeben müssen, nur um die begehrte Bescheinigung erhalten zu können. Gleichwohl sahen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit bislang vor, dass "bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (…) körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand der oder des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen" seien und verlangten daher, dass "die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund ärztlicher Untersuchung erfolgen" dürfe.

Angebote vereinzelter Anbieter, die die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Beantwortung eines Online-Fragebogens bei bestimmten leichteren Atemwegserkrankungen vorsahen, standen daher bereits vielfach in der Kritik. "Arbeitnehmer, die eine solche Bescheinigung vorlegten, mussten damit rechnen, dass diese vom Arbeitgeber nicht anerkannt wird", weiß Fuhlrott.

Erleichterungen in der Corona-Pandemie

Während der Hochphase der Corona-Pandemie gab es bereits ähnliche Erleichterungen bei den Regelungen. So war es Ärzten aufgrund befristeter Änderungen in der Zeit vom 9. März 2020 bis Ende Mai 2020 erlaubt, nur aufgrund telefonischer Rücksprache mit dem Arbeitnehmer und ohne körperliche Untersuchung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erteilen. Diese Regelung bezog sich ebenfalls nur auf Atemwegserkrankungen und war zunächst auf 14, später auf sieben Tage begrenzt. Die Regelung wurde am 15. Oktober erneut bundesweit bis Ende Dezember 2020 verlängert.

Neuregelung: Video-Chat, aber kein Fragebogen

Die neue Regelung soll Kassenärzten erlauben, die Arbeitsunfähigkeit auch per Untersuchung in Form einer Videosprechstunde, also ohne persönlichen Besuch, zu attestieren. Nach den Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses ist jedoch Voraussetzung, dass der gesetzlich versicherte Arbeitnehmer in der Arztpraxis bekannt ist. Zudem muss das Krankheitsbild eine Diagnose per Videosprechstunde erlauben und darf die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht länger als eine Woche erfolgen. Verlängerungen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Video sollen nur erlaubt sein, wenn die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit qua persönlicher Untersuchung erfolgt ist.

Einmalige persönliche Begegnung nötig

"Der Arbeitnehmer muss also mindestens einmal dem Arzt persönlich begegnet sein, bevor er eine solche Krankschreibung erhalten kann", meint Fuhlrott. "Diese Regelung ist absolut sinnvoll, um Fälle vereinzelten Missbrauchs beim ´gelben Schein´ zu verhindern", so der Arbeitsrechtler. Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit per Online-Fragebogen oder nur aufgrund eines Telefonats wird auch künftig nicht möglich sein. "Sie stellen damit in genau definierten Fällen eine sinnvolle Alternative und Erleichterung zum persönlichen Arztbesuch dar, die gleichzeitig Missbrauch verhindert", betont der Jurist.

Spannend bleibt für den Arbeitsrechtler aber, wie die technischen Voraussetzungen an solche Videosprechstunden umgesetzt werden und welche Krankheitsbilder die Ärzteschaft als geeignet für eine Diagnostik per Videosprechstunde einstufen will.

Wortlaut der Pressemitteilung Hier lesen Sie Pressemitteilung des Gemeinsamen BundesausschussesPrivatpatientenPrivat Krankenversicherte können ebenfalls eine Tele-Sprechstunde vereinbaren. "In der PKV sind Videosprechstunden seit jeher nach Maßgabe der medizinischen Notwendigkeit im vereinbarten Umfang ohne Budgetbeschränkungen möglich", erklärt der PKV-Verband in einer Pressemitteilung.

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: