Lob der OECD reicht Handwerk und Berufsschullehrern nicht
Die berufliche Bildung ist laut einer OECD-Studie "eine der Stärken des deutschen Bildungssystems". Noch – warnt der BvLB und weist auf den sich abzeichnenden "eklatanten Lehrermangel" hin. Der ZDH vermisst in der Statistik immer noch höhere Abschlüsse wie den Meister.
In ihrem aktuellen Jahresbericht "Bildung auf einen Blick" lobt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die berufliche Bildung in Deutschland. Das freut den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). "Zurecht erwarten die OECD-Experten, dass das Berufsbildungssystem auch in der wirtschaftlichen Erholungsphase nach der Corona-Pandemie eine Schlüsselrolle spielen wird", meint ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer.
ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer Foto: © ZDH/SchueringDie Stärke des Systems zeige sich vor allem in der mit 88 Prozent überdurchschnittlich hohen Beschäftigungsquote der beruflich qualifizierten 25-34-jährigen in Deutschland (OECD-Durchschnitt: 82 Prozent) sowie gleichzeitig am mit acht Prozent sehr geringen Anteil der 18-24-jährigen Menschen, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung seien (OECD-Durchschnitt: 14 Prozent).
Die Abschlüsse der höheren Berufsbildung wie etwa der Meister, Fach- und Betriebswirt sowie Restaurator werden in der Statistik der OECD jedoch "erneut nicht hinreichend berücksichtigt". Es wäre wünschenswert, wenn diese zukünftig in den Fokus genommen werden würden und die dafür fehlenden internationalen Definitionen zeitnah abgestimmt und umgesetzt werden.
Digitalisierung der Schulen angehen
Darüber hinaus weise die OECD-Studie auf Defizite im System der Allgemeinbildung hin, die während der Corona-Pandemie augenfällig geworden seien. Der mit dem Lockdown verbundene hohe Unterrichtsausfall habe viele Schulen weitgehend unvorbereitet getroffen. So besuchten nur 33 Prozent der deutschen Schüler eine schulische Einrichtung, die über "effektive Online-Plattformen zur Lernunterstützung" verfügen (OECD-Durchschnitt: 54 Prozent). "Daher müssen der ausgefallene Unterricht ebenso wie die ausgefallenen Maßnahmen der Berufsorientierung dringend nachgeholt werden", appelliert ZDH-Präsident Wollseifer. Die Digitalisierung im schulischen Umfeld müsse entschiedener als bislang angegangen werden. "Es ist deshalb wichtig, dass der DigitalPakt der Bundesregierung rasch und bürokratiearm vorangetrieben wird."
Stiefmütterliche Behandlung
BvLB-Vorsitzender Joachim Maiß Foto: © BvLB/Marco UrbanDass die Autoren der OECD-Bildungsstudie der beruflichen Bildung ein gutes Zeugnis ausstellen und ihr eine Schlüsselrolle nach der Corona bedingten Wirtschaftsflaute zuschreiben, schmeichelt dem Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB). Die Wertschätzung könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die berufliche Bildung in der deutschen Bildungspolitik "seit jeher stiefmütterlich behandelt wird", meint Joachim Maiß. Der BvLB hat vor allem den sich abzeichnenden Mangel an Lehrkräften für die berufsbildenden Schulen im Blick.
Lehrkräftemangel verschärft sich
BvLB-Vorsitzender Eugen Straubinger Foto: © BvLB/Marco UrbanDiesen bemängele auch die OECD-Studie und sehe Deutschland hier gänzlich schlecht aufgestellt. Im Bundesdurchschnitt liege die Unterrichtsversorgung in der beruflichen Bildung nur bei 90 Prozent. "Das bedroht zunehmend die Ausbildungsqualität, weil immer mehr Unterrichtstunden ausfallen müssen. Bis 2030 verschärft sich diese Situation dramatisch. Denn das chronisch unterversorgte System trifft eine Pensionierungswelle", warnt Eugen Straubinger, ebenfalls BvLB-Vorsitzender. In den nächsten zehn Jahren werde gut die Hälfte der rund 125.000 Berufsschullehrer in den Ruhestand gehen. Ausgebildet werden pro Jahr jedoch gerade einmal 2.000 neue Lehrkräfte, weil der Nachwuchs fehle.
Berufliche Bildung als Karrieretreiber
Für Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat die Corona-Krise gezeigt, dass eine gute berufliche Bildung die Säule des wirtschaftlichen Erfolgs ist und alle Menschen in Deutschland von denjenigen profitieren, die eine Ausbildung gemacht haben. Der OECD-Bericht stelle dem deutschen Berufsbildungssystem auch ein gutes Zeugnis aus, was die Aufstiegschancen angehe. "Insgesamt 92 Prozent unserer jungen Leute machen ihre Ausbildung in einem Bereich, der beruflichen Aufstieg direkt möglich macht. Im OECD-Schnitt sind es nur 70 Prozent. Das zeigt: Berufliche Bildung ist ein Karrieretreiber."
Genau deshalb habe sie die Attraktivität der beruflichen Bildung zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht. "Und wir haben vieles geschafft", ist die Bundesbildungsministerin überzeugt. Als Beispiel führt sie die Modernisierung des Berufsbildungsgesetzes und die Verbesserungen beim Aufstiegs-BAföG an. All diese Maßnahmen betrachtet Anja Karliczek als Bausteine für berufliche Karrierewege. "Es muss egal sein, welchen Weg ich wähle. Beide Wege – der berufliche oder der akademische – sind gleichwertige Wege mit Karrierechancen."
Attraktive Bildungsoption weiter ausbauen
"Die Kultusministerkonferenz hat es sich zum Ziel gemacht, die berufliche Bildung auch in Zukunft als attraktive und erfolgversprechende Bildungsoption weiter auszubauen", so die derzeitige KMK-Präsidentin und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig. Deshalb werde man die Qualität der beruflichen Schulen weiterentwickeln, indem intensiv zusammengearbeitet, die Digitalisierung weiter vorangetrieben und in die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte investiert werde.
Quelle: Zentralverband des Deutschen Handwerks, Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung, Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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