Es braucht dringend eine Nachvermittlungsoffensive für handwerkliche Ausbildungen, damit aus der Corona-Pandemie nicht eine verzögerte Ausbildungskrise wird, so Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).

Es braucht dringend eine Nachvermittlungsoffensive für handwerkliche Ausbildungen, damit aus der Corona-Pandemie nicht eine verzögerte Ausbildungskrise wird, so Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). (Foto: © ZDH/Schuering)

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Berlin Intern: Wir brauchen eine Nachvermittlungsoffensive

Handwerkspolitik

ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer beschäftigt sich in seiner Kolumne mit den Wechselwirkungen von Handwerk, Politik und Gesellschaft. Sein Standpunkt: Das Handwerk braucht jetzt dringend eine umfassende Nachvermittlungsoffensive.

Der August ist üblicherweise der Monat, in dem Tausende junge Menschen in ganz Deutschland ihre Karriere im Handwerk mit dem Beginn ihrer Ausbildung starten. In diesem Jahr hat uns die Corona-Pandemie kalt erwischt und in nahezu allen Bereichen vieles auf den Kopf gestellt. Auch der Start ins Ausbildungsjahr ist davon nicht unberührt geblieben.

Trotz Krise geht die Ausbildung weiter

Durch die Schulschließungen und Kontakteinschränkungen sind im ersten Halbjahr die für junge Menschen so wichtigen Veranstaltungen, Events und Informationsgespräche zur Berufsorientierung ausgefallen. Viele Schulabgänger standen allein da mit ihrer persönlichen Zukunftsplanung. Auch mit Fragen wie: Bilden Betriebe überhaupt noch aus? Welcher Beruf ist überhaupt der richtige für mich? Werde ich eine Ausbildung beenden können? Es fehlte die Beratung dazu, welche Ausbildung passen könnte und welche Entwicklungsmöglichkeiten und Karriereperspektiven damit verbunden sind.

Das zeigt sich in den Zahlen: Zu Beginn des Ausbildungsjahres haben aufgrund der pandemiebedingten Verzögerungen deutlich weniger junge Menschen einen Ausbildungsvertrag im Handwerk abgeschlossen als in den Vorjahren. Wir hängen den üblichen Entwicklungen sechs bis acht Wochen hinterher.

Doch auch jetzt ist es noch nicht zu spät für den Start in eine Handwerksausbildung: Die kann immer noch begonnen werden. Unser beliebtestes Kampagnenmotto zur Unterstützung der Betriebe der letzten Zeit heißt nicht umsonst: "Jetzt erst recht! Wir bilden weiter aus!" Dank der Lockerungen und unter Berücksichtigung aller Vorgaben zum Gesundheitsschutz von Kunden und Mitarbeitern ist Ausbildung auch wieder geordnet möglich. Unsere Betriebe sind motiviert und stehen bereit. Sie wissen: Wollen Sie auch künftig gut qualifizierte Fachkräfte in ihren Betrieben beschäftigen, dann bleibt die berufliche Ausbildung der entscheidende Schlüssel.

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Online den passenden Ausbildungsplatz finden

Die Betriebe und Jugendlichen brauchen jetzt all unsere Unterstützung dabei, zueinanderzufinden. Alle Anstrengungen müssen jetzt in eine umfassende Nachvermittlungsoffensive fließen. Daran müssen alle Beteiligten mitarbeiten. Gemeinsam müssen wir dringend dafür sorgen, dass aus der Corona-Pandemie nicht eine verzögerte Ausbildungskrise wird und junge Menschen mit ihrer Zukunftsplanung nicht auf der Strecke bleiben.

Die Handwerksorganisationen sind vorgeprescht und haben ihre Berufsorientierungsmaßnahmen mit Online-Seminaren, virtuellen Ausbildungsmessen, WhatsApp-Sprechstunden und der Digitalisierung ihrer Beratungs- und Informationsangebote intensiviert. Mit handwerk.de und dem "Berufechecker" finden Jugendliche zudem ein dauerhaftes Angebot, sich umfassend über die Berufe und Karrieremöglichkeiten im Handwerk zu informieren.

Ausbilden gegen den Fachkräftemangel

Doch wir brauchen Unterstützung von allen Seiten, auch und gerade von der Politik. Denn jeder fehlende Azubi wird die Fachkräfteproblematik in der Zukunft verstärken. Die von uns angeregte und beschlossene Ausbildungsprämie war zwar ein erstes wichtiges Signal der Wertschätzung an die Betriebe, das ihnen helfen soll, in ihrem Ausbildungsengagement nicht nachzulassen. Gerade in der aktuellen Krisensituation muss Fachkräftesicherung aber wieder langfristig und nicht nur punktuell in den Fokus rücken und angegangen werden.

Wir müssen den Ausbildungsmarkt stabilisieren. Dazu braucht es konkret die Förderung einer umfassenden Modernisierung der beruflichen Bildungsinfrastruktur. Dazu braucht es einen kräftigen Digitalisierungsschub in der beruflichen Bildung und auch bei allen Formaten zur schulischen Berufsorientierung. Dazu braucht es weitere Entlastungen der Betriebe, etwa bei den Sozialabgaben, die sie im Zusammenhang mit Ausbildung tragen müssen. Vor allem brauchen wir jetzt von allen Seiten den lautstarken Aufruf an die Jugendlichen: Schaut nach vorn und startet durch! Eine berufliche Ausbildung ist etwas wert, mit ihr habt Ihr alle Chancen. Sie ist eine sichere Bank für Eure berufliche Zukunft!

Foto: © Hans Peter WollseiferFoto: © Hans Peter Wollseifer

Text: / handwerksblatt.de

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