Handwerk stärkt Stabilität und Demokratie in der Großregion
Das Handwerk in der Großregion ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und ein Garant für Stabilität und demokratische Werte. Der Internationale Rat der Handwerkskammern in der Großregion (IRH) fordert von der Politik bessere Rahmenbedingungen.
In Zeiten politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit erweist sich das Handwerk als verlässlicher Stabilitätsanker. Familiengeführte Betriebe vermitteln Werte wie Verlässlichkeit, Verantwortung und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das wurde bei einem Treffen des Interregionaler Rates der Handwerkskammern der Großregion (IRH) bei der Handwerkskammer (HwK) Koblenz deutlich, an dem auch der Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags, Hendrik Hering, als Ehrengast teilnahm. "Wir brauchen die Wertebasis des Handwerks, um die Demokratie zu stärken", betonte Hering in seiner Rede.
Foto: © Jörg Diester / HwK KoblenzZuvor verwies IRH-Präsident Philippe Fischer auf aktuelle Herausforderungen wie geopolitische Spannungen, den Aufstieg extremistischer Strömungen und internationale Handelskonflikte, oft gepaart mit Fake News. "Eine Gefahr für Demokratie und Gesellschaft." Umso wichtiger sei es, das Handwerk zu stärken. "Das Handwerk steht für zentrale gesellschaftliche und europäische Werte", so Fischer. Im Gegensatz zu vielen Großkonzernen zeige es Verantwortung, Innovationskraft, Nachhaltigkeit und soziale Integration.
In der Großregion zählen rund 295.000 Betriebe mit etwa 825.000 Beschäftigten und 33.000 Auszubildenden zum Handwerk. Der IRH ist ein Zusammenschluss von acht Handwerkskammern und Organisationen aus Luxemburg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, der Region Grand Est (Frankreich) und der Wallonie (Belgien).
Die Gremien – Präsidenten, Hauptgeschäftsführer und Experten – treffen sich regelmäßig. Im Dezember 2024 gab es einen Runden Tisch in Brüssel, im März 2025 fand die Europäische Handwerkskonferenz in München statt, und zuletzt traf man sich Anfang Mai zur Vollversammlung im Metall- und Technologiezentrum der HwK Koblenz, wo Kammerpräsident Kurt Krautscheid die Gäste begrüßte.
Philippe Fischer forderte bessere Rahmenbedingungen für das Handwerk: "Grenzkontrollen, aggressives Konkurrenzverhalten, Fachkräfteabwerbung und zunehmende Baustellenkontrollen beeinträchtigen die Arbeit vieler Betriebe." Die Politik müsse jeglicher grenzüberschreitenden Diskriminierung entgegentreten und die Freizügigkeit des EU-Binnenmarktes verteidigen.
Auf der Europäischen Handwerkskonferenz wurden politische Forderungen formuliert:
- Sicherung von Fachkräften und Erhalt hoher Qualitätsstandards
- Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zwischen Wachstum und bewährten Geschäftsmodellen
- Unterstützung des ökologischen Wandels über reine Zielvorgaben hinaus
Der IRH fordert eine zügige Umsetzung dieser Maßnahmen, um das Unternehmertum attraktiver zu gestalten. Die neue EU-Omnibusverordnung zur Reduktion bürokratischer Lasten wird als Erfolg der gemeinsamen Lobbyarbeit gewertet. Präsident Fischer betonte: "KMU stellen rund 99 Prozent der Unternehmen in der EU. Der Grundsatz ‚Think small first‘ muss zu ‚Act small first‘ weiterentwickelt werden." Handwerkerinnen und Handwerker würden technische und kreative Lösungen finden, die Lebensqualität der Menschen fördern sowie zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit beitragen. Das Handwerk verdiene mehr Anerkennung, denn es biete allen, die im Handwerk arbeiten, gute Zukunftsperspektiven.
Hintergrund: Handwerk in der Großregion Der Zusammenschluss des Handwerks in der Großregion hat eine lange Geschichte. IRH-Generalsekretär Marc Gross: "Unser Zusammenschluss besteht seit 1989 – und er funktioniert auch nach über 30 Jahren sehr gut." Die gemeinsame Lobbyarbeit der acht Partner aus Luxemburg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, der Region Grand Est (Frankreich) und der Wallonie (Belgien) konzentriere sich neben dem Bürokratieabbau auch auf Themen wie Nachhaltigkeit, Energie, Umwelt- und Klimaschutz sowie Aus- und Weiterbildung. Jede Kammer und Organisation benennt Experten für die einzelnen Bereiche. "So können wir gemeinsame Positionen gegenüber den Institutionen und Akteuren in der Großregion und auf europäischer Ebene vertreten", berichtet Marc Gross.
Hering: Im Handwerk steht der Mensch im Mittelpunkt
Foto: © Jörg Diester / HwK KoblenzAuch Landtagspräsident Hering hob die Bedeutung eines starken Handwerks für die Demokratie hervor: "Familiär geprägte Betriebe vermitteln Werte wie Pünktlichkeit, Präzision, Sorgfalt und Zuverlässigkeit. Im Handwerk steht der Mensch im Mittelpunkt – nicht als Kostenfaktor, sondern als Teil der Gemeinschaft." Auch Integration gelinge im Handwerk vorbildlich.
Gleichzeitig, so Hering, sei das Handwerk, seien starke Familienunternehmen, auf funktionierende Demokratien und Wettbewerbsfreiheit angewiesen: "Autokraten wollen kein Unternehmertum."
2025 feiern viele Handwerkskammern ihr 125-jähriges Bestehen. Die traditionsreiche Selbstorganisation des Handwerks in den Innungen und Handwerkskammern würdigte Hering als wichtige Stütze des Gemeinwesens.
Mehr Entscheidungsmut in den Verwaltungen
Deutschland brauche dringend Wirtschaftswachstum. "Mit Hilfe des Handwerks können im großen Umfang Wachstum und Stabilität gesichert werden." Klimaschutz werde ohne das Handwerk nicht möglich sein. Natürlich müssten die Rahmenbedingungen für die Betriebe stimmen. Zudem plädierte Hering dafür, dass mehr Jugendliche einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland absolvieren können. "Wer einen Teil seiner Ausbildung im Ausland gemacht hat, der ist kreativer und weltoffener."
Mit Blick auf das neue Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen in Infrastruktur kündigte der Landtagspräsident an, schnell einen Prozess gemeinsam mit den Kommunen anzustoßen. "Deutschland ist die drittstärkste Wirtschaftsnation der Welt. Wir haben aber eine beklagenswerte Infrastruktur. Wir müssen wieder zu den Spitzenreitern gehören." Rund fünf Milliarden insgesamt oder 500 Millionen pro Jahr stehen Rheinland-Pfalz für zusätzliche Investitionen in Straßen, Schulen oder Kindergärten zur Verfügung.
Beim Thema Bürokratie, die den Kleinstunternehmen unter anderem in Form von Berichtspflichten auferlegt wird, forderte Hering ein Umdenken in den Behörden: Zwar sei die Regelungsdichte, die Zahl der Vorschriften aus Europa, dem Bund und zum Teil Land, in den letzten Jahren nicht massiv gestiegen, doch mangele es an Entscheidungsmut in den Verwaltungen. Statt Verantwortung zu übernehmen, würden oft Gutachten eingeholt. "Hier kann die Verwaltung von Familienbetrieben lernen, die täglich Entscheidungen treffen müssen."
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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