Legendäre Laverda-Schrauber aus Dom-Esch
Roger Viehl und Peter "Piet" Herrmann teilen eine Leidenschaft: die Liebe zu den klassischen Bikes aus dem norditalienischen Breganze.
Dom-Esch heißt der kleine Flecken an den nördlichen Ausläufern der Eifel, den Laverda-Liebhaber aus aller Welt kennen. Denn hinter der kargen Fassade der Dom-Esch-Straße 83 versteckt sich in einem alten Viereck-Bauernhof das 2000 gegründete "Orange Cycle Team" (OCT).
Laverda erlangte mit den orangefarbenen 750 SF und SFC Weltruhm. Foto: © Jürgen UlbrichWas Besucher dort erwartet, ist einmalig: Überall stehen Klassiker des italienischen Herstellers Laverda. 1949 von Francesco Laverda gegründet, erlangte die Marke mit den orangefarbenen 750 SF und SFC Weltruhm. 2004 ging Laverda im Piaggio-Konzern auf, die ruhmreiche Geschichte war zu Ende.
Mit 170 Sachen über die Stadtautobahn
Viele Maschinen im Hof sind mit Planen bedenkt, einige haben keinen Motor mehr, andere wirken schrottreif. Doch bei OTC wird nichts weggeworfen. Gründer Roger Viehl, geboren in Antwerpen und aufgewachsen in Leverkusen, verfiel 1981 der Laverda-Liebe: "Ein Kumpel kam mit einer 3CL vorbei, 1000 Kubik, drei Zylinder, sollte 8000 Kilometer gelaufen haben. Von der Probefahrt kam ich mit einem breiten Grinsen zurück", erzählt der Kfz-Meister. Er kaufte die Maschine – obwohl sie, wie er später erfuhr, 48.000 auf der Uhr hatte – und heizte schon mal mit 170 Sachen über die Leverkusener Stadtautobahn.
Roger Viehls Laverda 1000 3CL im Jahr 1999. Foto: © Roger ViehlSeiner Leidenschaft für die robusten Zwei- und Dreizylinder nach dem Motto "Einmal Laverda – immer Laverda" frönte er auch beim damaligen Kölner Importeur "Moto Witt", für den er eine Zeitlang arbeitete. Als sich das Aus für Laverda abzeichnete, kaufte Roger alle Teile-Restposten, die er finden konnte: von "Moto Witt", die des dänischen und des Schweizer Importeurs, die Werksbestände aus Italien. Seither lagern in der ehemaligen Tabakscheune, über dem Stall – der heutigen Werkstatt – und im Quertrakt gegenüber die immer selteneren Teile.
Tausendsassa Piet ist Herr der Werkstatt
Feinmechaniker und Kfz-Meister Peter Piet Herrmann schlägt neue Ventilschaftdichtungen ein. Foto: © Jürgen UlbrichDerweil platziert in der Werkstatt der Deutsch-Australier Peter "Piet" Herrmann, Maschinenbautechniker, Feinmechaniker und Kfz-Meister, mit geübten Hammerschlägen neue Ventilführungen in einen zuvor stark erhitzten Zylinderkopf. Seit 2009 arbeitet er für Roger, kennengelernt haben sie sich Mitte der 90er bei Witt.
Seinerzeit übernahm Tausendsassa Piet – er war auch Tankwart, Schlosser, Taxi-Unternehmer und Autoteile-Händler – die Witt-Werkstattleitung. "Meine erste Dreizylinder-1000er habe ich 1980 gekauft", erzählt er. Heute besitzt Piet 13 Bikes – darunter auch eine Laverda Tourismo 100, mit der er 2015 erfolgreich an "Milano – Taranto" auf den Spuren des legendären historischen Motorradrennens teilnahm.
Besonders in Erinnerung geblieben ist Roger die Jubiläumsfeier zum 50. Laverda-Geburtstag 1999. "Wir beide sind runter nach Italien gekracht. Während einer Weinberg-Besichtigung ist es passiert, urplötzlich entluden sich aus einer schwarzen Wolke Hagel-Granaten", erzählt Roger. "Der Schaden war groß, viele Maschinen hatten kaputte Verkleidungen und Blechschäden." Die 1000er von Piet sprang nicht mehr an, der Hagel hatte einen Stecker zerstört. Für die beiden Profis war das jedoch kein Problem. Mit Vollgas ging’s wieder nach Hause.
Immer flott mit der Laverda unterwegs
Eine der vielen Abfahrten aus Dom Esch: Roger Viehl (r.) und Peter Piet Herrmann auf der gelben Laverda im Hintergrund. Foto: © Roger ViehlAls die beiden Laverdisti auf der Autobahn in Österreich einer Radarfalle auswichen und auf der Landstraße durch zündeten, verloren sie sich aus den Augen. "Wir hatten keine Mobiltelefone. Ich sah Piet nicht mehr und bin volles Rohr nach Hause. Kaum dort angekommen, rief er an, die Polizei habe ihn angehalten und gesagt: 'Sie bleiben hier!‘", erzählt Roger grinsend. Für Piet wurde es teuer.
Die beiden Laverda-Freunde waren immer flott unterwegs, egal ob auf Übernacht-Ritten zur Bol’d Or auf dem Circuit Paul Ricard oder innerhalb von sieben Tagen rund 4.200 Kilometer über alle Pässe in Frankreich. Für solche Touren haben Roger und Piet heute nur noch wenig Zeit. Ein Grund: ihr OTC-Mitstreiter Dirk Schreiber, Kaufmann und Ersatzteil-Versender, verstarb im Januar 2016. Seither kümmert sich Roger auch um dessen Aufgaben.
Mit dem Einzelstück nach Australien
Ein eingespieltes Duo: Peter Herrmann (l.) und Roger Viehl. Foto: © Jürgen UlbrichPiet hingegen schraubte selbst in seiner raren Freizeit an Dirks Nachlass: einer Laverda mit extrem seltenen Rennrahmen und Zweizylinder-750-SFC-Werksmotor, die 1973 beim GP von Imola startete. "Dirk hatte das Teil ersteigert, es war 20 Jahre in Sammlerhand", erzählt Piet. Als OTC drei Monate nach Dirks Tod eingeladen wurde, die Laverda 750 SFC Special beim "2017 QBE International Festival of Speed" im Sydney Motorsport Park zu präsentieren, stand fest: das Einzelstück muss fertig werden.
Für Peter Piet Herrmann ging 2017 ein Traum in Erfüllung: Beim QBE International Festival of Speed wurde die von ihm fertiggestellte Laverda 750 SFC Special seines verstorbenen Freundes Dirk von 22.500 begeisterten Zuschauern gefeiert. Foto: © Peter HerrmannUnd tatsächlich, vom 23. bis 26. März führte Piet die Maschine vor mehr als 22.500 begeisterten Zuschauern in den täglichen Demo-Läufen vor. Der schönste Moment war für ihn "in der vorletzten Kurve am Arsch von Giacomo Agostini zu kleben!" Auf der Geraden konnte er den Speed des 15-fachen italienischen Rekord-Weltmeisters auf der 500er MV Augusta aber nicht mehr halten. Im übertragenen Sinne war auch der verstorbene Freund Dirk immer dabei. Denn in großen weißen Buchstaben ist auf dem roten Rennhöcker die folgende Widmung lackiert: "In Memorium Dirk Schreiber 1963 – 2016".
Text:
Jürgen Ulbrich /
handwerksblatt.de
2 Kommentare
Kommentar schreiben