Die Schule von Nancy zeigt eine beeindruckende Sammlung von Möbeln und dekorativen Gegenständen des 20. Jahrhunderts.

Die Schule von Nancy zeigt eine beeindruckende Sammlung von Möbeln und dekorativen Gegenständen des 20. Jahrhunderts. (Foto: © Rainer Schmidt)

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Nancy – im Mittelpunkt der Art Nouveau

Panorama - Reise

Die Wiege des Jugendstils liegt in Lothringen, genauer in der ostfranzösischen Stadt Nancy. Hier experimentierten vor allem Handwerker Ende des 19. Jahrhunderts mit neuen Designs, um eine völlige neue Stilrichtung zu schaffen. Art Nouveau beherrschte Salons und die großen Ausstellungen – Kunsthandwerk für jedermann.

Manch ein Tourist rast auf der Route nach Süden an dieser Stadt vorbei. Eine Stunde südlich von Luxemburg liegt Nancy, das Stadtzentrum in einem Talkessel. Vor 150 Jahren entwickelt sich Nancy, die Kleinstadt mit 50.000 Einwohnern, zum Nukleus einer neuen Stilrichtung. Schluss sollte sein mit Historismus, dem Mischen von früheren Stilarten wie Klassizismus und mittelalterlichen Baustilen.

Jugendstil oder Art Nouveau beherrschten die kommenden Jahrzehnte die Kunst, die Architektur, die Arbeit von Bauhandwerkern, Tischlern und Metallbauern. Glas, Möbel, Schmiedeeisen, Keramik, Buchbinderei, Schmuck, Stickereien, Bildhauerarbeiten und Möbelproduktion – alles entwickelte sich neu, mit floralen Motiven und Ornamentik und Formgebung aus der Natur.

Die Glasmanufaktur Daum

Wir stehen vor einer Ladenfassade unweit des Place Stanislas, einem der prunkvollsten Plätze Europas. In der Holzumrandung des Schaufensters schlängelt sich eine Pflanze die Fassade hoch und entfaltet oberhalb der Glasfenster eine breite Blätterpracht. Farne, Silberblätter, Giersch – alltägliche Pflanzen beherrschen die Ornamentik. In keiner früheren Epoche hat es eine derartige Kooperation zwischen Handwerkern, Architekten und Künstlern gegeben wie im Jugendstil. Im Museum am Place Stanislas, der früheren Oper, kann der Besucher die Chronologie der Stilentwicklung beobachten.

Die Glasmanufaktur Daum hat im Keller eine eigene Ausstellungsfläche. Die Daums schaffen seit der Entstehung des Jugendstils bis zum heutigen Tag. Wer abends über den hellerleuchteten Platz spaziert, kann gegenüber der ehemaligen Oper die aktuellen Verkaufsräume von Daum betrachten. Fische als gläserne Kunstwerke faszinieren die Besucher – eine gelungene Kooperation zwischen Glashandwerkern und Künstlern, ein Prinzip der Zusammenarbeit, das Daum seit vielen Jahrzehnten praktiziert.

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Bildergalerie

Nancy - Die Wiege des Jugendstils
In der Schule von Nancy kann man eine beeindruckende Sammlung von Möbeln und dekorativen Gegenständen des 20. Jahrhunderts betrachten. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen der Stadt Nancy. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen des Kunsthandwerkes. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen des Kunsthandwerkes. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen der Kunstornamente im Jugendstil. (Foto: © Rainer Schmidt )
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Impressionen der Stadt Nancy. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen des Kunsthandwerkes. (Foto: © Rainer Schmidt )
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Impressionen der Stadt Nancy. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen des Kunsthandwerkes. (Foto: © Rainer Schmidt )
Nancy - Die Wiege des Jugendstils
Impressionen des Kunsthandwerkes. (Foto: © Rainer Schmidt )

Patriotismus für Frankreich

Politische Gründe haben dem Jugendstil einen großen Schub gegeben. Nancy wurde nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 Grenzstadt zwischen Deutschland und Frankreich. Lothringen, das Elsass, die Städte Metz und Strassburg wurden deutsch. Nancy war fortan Auffangbecken für alle Franzosen, die nicht deutsch werden wollten. In der Flüchtlingsbewegung fanden sich alle Berufe und sozialen Schichten wieder. Einfache Arbeiter, geniale Handwerker und Industrie-Unternehmer mit viel Geld – und alle einte eines: der Patriotismus für Frankreich.

Die 30 Künstler des Jugendstils, die sich zur École de Nancy zusammenschlossen, wollten den verhassten Nachbarn im Osten zeigen, wie stark Frankreich immer noch agieren konnte, vor allem künstlerisch. Symbole nationaler Identität erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Distel, ein Ornament aus dem Wappen Lothringens, das für die Widerborstigkeit Lothringens seit dem Mittelalter steht, als Karl der Kühne abgewehrt wurde. Oder das Lothringer Kreuz, Zeichen der Stärke der Stadt. Natürlich auch die Lilie als Zeichen der französischen Könige und der gallische Hahn als das Symbol Frankreichs.

Ecole de Nancy

"Im Moos, um die Quellen herum" so lautet die Inschrift auf dem Werkstor des berühmten Glasmachers, Botanikers und ersten Chef der Ecole de Nancy, Emile Gallé. Unsere Wurzeln liegen auf dem Waldesgrund lautete die Philosophie der neuen Künstlergeneration des Jugendstils. Emile Gallé spielte eine besondere Rolle als Vorreiter der künstlerischen Suche und gab den entscheidenden Impuls. Gallé, Fachmann für Keramik, Glas und Kunsttischlerei, gründete mit 30 Mitstreitern 1901 die École de Nancy.

Als Präsident stellte er die Kooperation zwischen Kunst, Handwerk und Industrie her. Eines verband beide Sektionen. Die damals maßgebende intellektuelle Schicht Frankreichs verachtete die Industrie mindestens so wie die "Spaghetti-Kunst" des Jugendstils mit ihrer Meinung nach überbordenden Ornamentik. Den Widersachern zum Trotz glänzten die Handwerker, Designer und Architekten des Jugendstils Ende des 19. Jahrhunderts auf mannigfachen Ausstellungen, Krönung die Weltausstellung im Jahr 1900.

Villa Majorelle

Kurze Zeit vor seinem 40. Geburtstag beauftragte Louis Majorelle einen jungen Architekten aus Paris mit der Planung seines Privathauses. Neue Wege wollte der Designer aus der Möbeldynastie Majorelle im Jahr 1898 gehen. Kunst, Design, Handwerk sollten revolutioniert werden. Der 26jährige Henri Sauvage machte sich an die Pläne und schuf eine Villa im Jugendstil, die vom Fenster bis zum Kamin alles im neuen Stil darstellt, einzigartig in ihrer Komplexität. Hier kann der Besucher das Credo der Jugendstil-Künstler "Kunst in allem" und "Kunst für alle" betrachten und bewundern.

Die Villa ist nach ausgiebiger Renovierung nun wieder geöffnet und für die Öffentlichkeit zugänglich. Mehr als 100 Möbelstücke, Gemälde und Kunstobjekte sind hier ausgestellt. Zum Teil originale Möbel der Majorelles aus dem Besitz der École de Nancy erworben, teils Accessoires, die der früheren Einrichtung der Familie Majorelle ähnlich sind. Anhand von Fotoalben der Familie identifizierten die Restauratoren das Interieur. Dass Louis Majorelle von ihm geschaffene Möbelstücke in seiner Villa präsentierte, versteht sich von selbst. 

Museum der Schule von Nancy

Einzigartig ist dieses Museum in der Rue Sergent Blandan. Im Haus des früheren Kunstmäzens Eugène Corbin erlebt der Besucher eine Reise durch die Zeit des Jugendstils. Hier spürt man die Atmosphäre um 1900 in jedem Ausstellungsraum. Unikate werden ebenso gezeigt wie Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, die in Serie produziert wurden.

Weitere Infos Anreise
Mit der Bahn bis zum Schnellbahnhof Lorraine TGV SNCF (38 km von Nancy entfernt - Pendelbuseinsatz)
Paris-Nancy 1,5 Stunden
Straßburg-Nancy 1,5 Stunden
Luxemburg-Nancy 1.5 Stunden

Mit dem Flugzeug
Bis zum Flughafen Nancy-Tomblaine (4,3 km) oder zum Flughafen Metz Nancy Lorraine (45 km von Nancy entfernt)

Mit dem Auto
Über die A 31 von Norden und Westen. Ca. 3,5 Stunden Fahrzeit von Frankfurt und ca. 4 Stunden von Köln. Saarbrücken ist in ca. 1,5 Stunden zu erreichen.

Adressen

Villa Majorelle
1, rue Louis Majorelle
54000 Nancy
Mittwoch bis Sonntag 10 – 18 Uhr
Tickets können online über die Website erworben werden!

Musée de l’École de Nancy

36-38 rue du Sergent Blandan
54000 Nancy
Mittwoch bis Sonntag von 10 – 18 Uhr

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Text: / handwerksblatt.de

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