Andreas Ehlert, Thomas Jarzombek, Irene Mihalic, Dirk Wiese, Rüdiger Otto, Otto Fricke, Holger Schwannecke, Berthold Schröder und Martin Böhm (v. l.)

Andreas Ehlert, Thomas Jarzombek, Irene Mihalic, Dirk Wiese, Rüdiger Otto, Otto Fricke, Holger Schwannecke, Berthold Schröder und Martin Böhm (v. l.) (Foto: © UVH)

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"Konjunkturellen Aufschwung gab nur in den Ministerien und den Behörden"

Der diesjährige UVH-Unternehmertag stand ganz im Zeichen der Bundestagswahl. Vertreter des Handwerks machten deutlich, worauf es in der kommenden Legislaturperiode ankommt.

Beim diesjährigen Unternehmertag des Unternehmerverbands Handwerk NRW (UVH) diskutierten Politiker verschiedener Parteien gemeinsam mit Vertretern des Handwerks über aktuelle Themen aus dem Bereich der Wirtschafts- und Mittelstandspolitik. Eingeladen zur Debatte unter dem Titel "Erwartungen des Handwerks zur Bundestagswahl" hatte neben dem UVH auch der Westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) und Handwerk.NRW. "Das Gefühl, das uns alle beschleicht, ist, dass es jetzt um viel geht für unser Land." So ordnete WHKT-Präsident Berthold Schröder die Stimmung kurz vor der Bundestagswahl ein. Angesichts der weltpolitischen Lage und des stockenden europäischen Einigungsprozesses wachse die Unsicherheit, müsse es in der nächsten Legislaturperioden um Richtungsentscheidungen gehen, die die vielen ungelösten Probleme adressieren.

Aber auch innenpolitisch gebe es wichtige Herausforderungen. Schröder sprach den demografischen Wandel und die Zukunftsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme an. Die hohen Lohnnebenkosten und die auch die Bürokratie belasteten das Handwerk. Die Diskussion um die Migration werde an vielen Stellen zu scharf geführt. Es gebe im Handwerk viele Auszubildende mit einem ausländischen Pass. Diese Gruppe müsse geschützt werden. "Wir dürfen die Diskussion nicht so weit bringen, dass sich diejenigen, die zu uns gekommen sind und die bei uns auch Leistungsträger sind, bei uns nicht mehr wohl und sicher fühlen. Es braucht mehr Balance."

Aufschwung nur in den Behörden

Die internationale Lage sei besorgniserregend und die wirtschaftliche Situation sei dramatisch, erklärten Holger Schwannecke. In den letzten zehn Jahren habe der Staat viel zu wenig in die Zukunftsfähigkeit des Landes investiert. Deutschland gehöre zu den Ländern mit der höchsten Abgabenlast, den höchsten Energiepreisen, überdurchschnittlichen Arbeitskosten und einem immensen Bürokratieaufbau, so der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. "Konjunkturellen Aufschwung gab es im Grunde genommen nur in den Ministerien und den Behörden." Hier seien auf den verschiedenen Ebene in den letzten Jahren etwa 120.000 Stellen aufgebaut worden was sich auch in der Zahl der Gesetze und Vorschriften niederschlage Sie sei um 20 Prozent gestiegen.

Vor der Wahl nehme die Debatte um die Migration zu viel Platz ein, es müsse mehr um die Wirtschaft gehen. Für den wirtschaftlichen Erfolg sei ein deutlich engagierterer Bürokratieabbau notwendig. Schwannecke warb für die Einführung obligatorischer Praxischecks während des Gesetzgebungsverfahrens, um die Auswirkung auf die Betriebe zu prüfen. Damit sei eine bessere und praxisgerechtere Rechtsetzung möglich. "Sachverstand zum richtigen Zeitpunkt statt Ideologie: Das ist die Botschaft." Die neue Bundesregierung müsse wieder Lust auf Unternehmertum machen. Das Misstrauen der Politik gegenüber Unternehmern müsse einer Wertschätzungs- und Vertrauenskultur weichen.

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Sozialsicherungssysteme zukunftsfähig machen

Eine weitere Aufgabe sei es, die sozialen Sicherungssysteme finanzierbar und zukunftsfähig zu machen. Hier gebe es eine "Aufwärtsspirale" bei den Kosten. Wenn die Politik nicht endlich den Mut finde, über Reformen nachzudenken, werde die Belastung weiter steigen. Mehr Geld in die Hand nehmen müsse sie für die Modernisierung der Bildungsinfrastruktur. Schwannecke: "Viele unserer Bildungszentren sind in die Jahre gekommen. Die Ausstattung muss mit dem Schritt halten, was wir jungen Menschen bieten wollen, nämlich Modernität und Zukunftsfähigkeit." Alleine könne das Handwerk die nötigen Mittel nicht zur Verfügung stellen, es brauche die Unterstützung der Politik. Schließlich forderte Schwannecke eine Neuausrichtung der Berufsorientierung. Eine verpflichtende Orientierung an allen allgemeinbildenden Schulen könne Vorurteile gegenüber dem Handwerk auflösen und für Fachkräftenachwuchs sorgen.

Bei der sich anschließenden Podiumsdiskussion sprachen vier Bundestagskandidaten über Wirtschafts- und Mittelstandspolitik. Mit dabei waren Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Bildung und Forschung, Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Otto Fricke, Sprecher für Haushaltspolitik der FDP-Bundestagsfraktion. Das Schlusswort hatten Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW und UVH-Präsident Rüdiger Otto. Ehlert plädierte dafür, die Probleme jetzt wirklich anzugehen und Lösungen endlich umzusetzen. "Wir müssen ins Handeln kommen", betonte er. Wirtschaft und Politik müssten zusammenarbeiten, um die richtigen Weichen zu stellen, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, ergänzte Otto.

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Text: / handwerksblatt.de

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