KI im Handwerk: Warum eigentlich nicht?
Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI; engl: AI) mag man zunächst eher an das Silicon Valley denken. Doch Philipp Hartmann, Director of AI Strategy bei Applied AI, sieht durchaus Einsatzszenarien im Handwerk.
Werden bald intelligente Roboter selbstständig Holz zuschneiden und verleimen oder historische Fachwerkhäuser restaurieren? "Wohl nicht in nächster Zeit, auch wenn es sich der ein oder andere Tischler oder Zimmermann vielleicht wünschen würde", ist Philipp Hartmann überzeugt, der an der Technischen Universität München (TUM) zu den Wettbewerbsfaktoren beim Einsatz von künstlicher Intelligenz promoviert hat. Dennoch sollte das Handwerk die Augen offen halten, denn unter Umständen lassen sich KI-Anwendungen aus anderen Bereichen für die eigenen Zwecke nutzen.
Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten
Als ein mögliches Anwendungsgebiet zählt Hartmann den Einsatz von Robotern in der Werkstatt auf. Zum Anlernen der Roboter gebe zwei Möglichkeiten. "Zum einen können Roboter so programmiert werden, dass sie selbstständig Arbeitsschritte beginnen und dann von ihrer KI gesteuert werden. Es ist aber auch möglich, dass ein Mensch dem Roboter Arbeitsschritte zeigt, die der Roboter dann per KI analysiert und sich antrainiert", erklärt der Director of AI Strategy bei Applied AI, das im Oktober 2017 als gemeinsame Initiative der UnternehmerTUM und dem US-Technologiekonzern NVIDIA gestartet ist.
Eine weitere Möglichkeit für den Einsatz von KI seien sogenannte Wearables, also Kleidung, in denen verschiedene Sensoren Bewegungen und Belastungen aufzeichnen. Die gesammelten Daten werden dann mit Hilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet. "Die Handwerker werden vor Überbelastungen gewarnt und bekommen Empfehlungen für Ausgleichsübungen." Ebenfalls denkbar: der Einsatz von KI in der Datenverarbeitung. "Viele langwierige Arbeitsschritte wie das Erstellen von Angeboten und das Heraussuchen von bestimmten Fördermodellen oder auch Teile der Buchhaltung können KI-gestützte Programme übernehmen und so Mitarbeiter effektiv entlasten", schwebt Philipp Hartmann vor.
KI als Produkt betrachten
Beim strategischen Zugang empfiehlt er, dass man KI als ein klar abgegrenztes Produkt und nicht als ein Projekt behandeln sollte, da Projekte in der Regel fest definierte Ziele sowie einen Anfang und ein Ende haben. "Bei KI verhält es sich eher so, dass man auf dem Weg zu einem zuerst definierten Ziel immer wieder neue Möglichkeiten entdeckt." Die Datenanalyse auf einer vernetzten Baustelle sei dafür ein gutes Beispiel. So könne es sein, dass eine KI die erhofften Ablaufoptimierungen entdeckt, es könne aber auch sein, dass sie andere interessante Muster zutage fördert, die eine Änderung in der Ausrichtung des Produktes erfordern. "Wie ein gutes Produkt ist auch eine KI-Lösung nie wirklich fertig, sondern wird stetig weiterentwickelt."
Entwicklung und Implementierung vorantreiben
Macht sich ein Handwerksbetrieb auf den Weg, ein KI-Produkt zu entwickeln, muss ein Verantwortlicher gefunden werden, der die Entwicklung und Implementierung vorantreibt. "Diese Person ist idealerweise im gesamten Betrieb sehr gut vernetzt und versteht die Kernprozesse", sagt Philipp Hartmann. So könne sie durch Gespräche, Beobachtungen und Workshops die vielversprechenden Bereiche identifizieren, für die sich eine KI lohnen könnte. Mit den folgenden Fragen sollte sich der KI-Verantwortliche gleich zu Beginn beschäftigen:
- Welche Prozesse laufen nicht rund?
- Welche Prozesse werden eher aus Tradition so geführt, wie sie sind?
- Welche Prozesse sind von zentraler Bedeutung für das Kerngeschäft?
- Und: Gibt es die Möglichkeit, Daten rund um diese Prozesse zu sammeln?
Die wenigsten Handwerksbetriebe dürften einen KI-Experten in ihren Reihen haben. Müssen sie auch nicht, meint Philipp Hartmann. Schließlich gebe es auch bereits fertige Lösungen, beispielsweise für die vorausschauende Wartung von Maschinen oder für den Kundendialog via Chatbots. Eine Übersicht von KI-Anwendungen bietet etwa die vom Bundesbildungsministerium geförderte Plattform "Lernende Systeme". Darüber hinaus können die Unternehmen auch externe Hilfe in Anspruch nehmen. "Wir von Applied AI helfen Unternehmen dabei, KI in der Praxis umzusetzen und haben auf unserer Website eine Landkarte mit allen Start-ups in Deutschland veröffentlicht."
Digitalisierungsexperten des HandwerksEine erste Anlaufstelle für Fragen zu KI und weiteren Zukunftstechnologien sind auch die Beauftragten für Innovation und Technologie (BIT) bei den Handwerkskammern und Handwerksverbänden. Eine Liste aller BIT und Digi-BIT gibt es hier.
Heute schon an morgen denken
Zurzeit arbeitet Applied AI eher mit großen Unternehmen zusammen. Philipp Hartmann und sein Team möchten jedoch auch das Handwerk und den Mittelstand von Beginn an mitnehmen. Schließlich habe Künstliche Intelligenz das Potenzial, ganze Branchen und Geschäftsmodelle grundlegend zu revolutionieren. "Fangen Sie heute an, über die Möglichkeiten nachzudenken, dann werden Sie morgen nicht vom Wettbewerb überrascht", appelliert der Director of AI Strategy an die Handwerksbetriebe.
Quelle: Applied AI
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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