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HWK des Saarlandes | September 2025
Fachseminar Ladungssicherung
Diese Veranstaltung vermittelt die Sachkunde, um als zur Prüfung befähigte Person nach BetrSichV 2 (6) und dem ArbSchG 7 bestellt werden zu können.
Sie haben nicht nur einen Bürojob: 89 Prozent der Handwerkerinnen üben während der Schwangerschaft regelmäßig körperliche Tätigkeiten aus, vor denen Angestellte geschützt würden. (Foto: © mrwed54/123RF.com)
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Juli 2025
Selbstständige Handwerkerinnen arbeiten oft bis wenige Tage vor der Geburt ihres Kindes und kehren kurz nach der Entbindung in ihren Betrieb zurück. Einen gesetzlichen Mutterschutz gibt es für sie nicht. Das IfM Bonn hat Handwerkerinnen in NRW befragt.
Einen gesetzlichen Mutterschutz für selbstständige Frauen gibt es immer noch nicht. Für selbstständige Handwerkerinnen bedeutet die Schwangerschaft deshalb oft eine enorme Belastung - körperlich und finanziell. Jede zweite selbstständige Handwerkerin arbeitet bis wenige Tage vor der Entbindung. Ebenso viele kehren innerhalb der ersten vier Wochen - zumindest stundenweise - in ihren Betrieb zurück.
Jede vierte selbstständige Handwerkerin kehrt sogar bereits sechs Wochen nach der Geburt voll zurück in den Betrieb. Und fast alle schwangeren Handwerkerinnen (89 Prozent) üben während der Schwangerschaft regelmäßig körperliche Tätigkeiten aus, vor denen Angestellte geschützt würden - etwa das regelmäßige Heben schwerer Lasten, Arbeiten in gebückter Haltung, der Umgang mit Gefahrstoffen oder starker Lärm.
Das ist ein Ergebnis der Befragung in Nordrhein-Westfalen, die das IfM Bonn im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums und des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT) durchgeführt hat. 950 selbstständige Handwerkerinnen haben teilgenommen. Die Studienergebnisse untermauern, wie wichtig ein gesetzlicher Mutterschutz auch für Selbstständige wäre. Nur 22 Prozent der Handwerksbetriebe in NRW hat eine weibliche Inhaberin. Viele scheuen auch wegen einer potenziellen Schwangerschaft die Selbstständigkeit.
Aktionstage für den Mutterschutz für Selbstständige Handwerkerinnen wie die selbstständige Tischlermeisterin Johanna Röh und der von ihr gegründete Verein "Mutterschutz für alle" engagieren sich seit Jahren unermüdlich für das Thema. Um in den Dialog mit der Politik zu gehen und die Sichtbarkeit für die Problematik des fehlenden Mutterschutzes zu stärken, plant das Bündnis rund um den 9. und 10. Oktober Aktionstage für den Mutterschutz für Selbstständige in Berlin.
➔ Die meisten Handwerkerinnen lassen ihre berufliche Tätigkeit erst wenige Tage vor der Geburt vollständig ruhen. Jede zweite selbstständige Handwerkerin hört erst eine Woche oder noch kürzer vor der Geburt komplett auf zu arbeiten.
➔ Etwa jede zweite befragte Handwerkerin kehrte innerhalb von vier Wochen mit reduzierter Stundenzahl zurück in den Betrieb.
➔ Jede vierte selbstständige Handwerkerin ist bereits sechs Wochen nach der Geburt wieder im gleichen Umfang wie vor der Schwangerschaft zurück im Betrieb.
➔ 89 Prozent der Befragten übten während der Schwangerschaft regelmäßig körperliche Tätigkeiten aus, die bei Angestellten zu Schutzmaßnahmen oder Beschäftigungsverboten führen würden.
➔ Drei von vier Befragten sehen sich von erhöhten psychischen Belastungen betroffen.
➔ Während der Mutterschutzfrist haben nur 29 Prozent der Befragten Krankengeld oder Krankentagegeld von ihrer Krankenkasse erhalten.
➔ Mehr als 80 Prozent der Befragten fänden die Einführung eines umlagefinanzierten Mutterschaftsgeldes sinnvoll, etwa 40 Prozent sehen auch in der Einführung einer Betriebshilfe ein sinnvolles Modell.
➔ Die deutliche Mehrheit sieht sich über die vorhandenen Absicherungsmöglichkeiten während der Schwangerschaft schlecht informiert.
➔ Während der Umsatz für rund die Hälfte der von Umsatzeinbußen Betroffenen frühestens nach einem Jahr das vorherige Niveau erreicht, ist dies bei über einem Drittel auch nach drei Jahren noch nicht der Fall.
"Ich habe großen Respekt vor all den Handwerkerinnen, die mit Kreativität, Mut und Ausdauer ihren Betrieb führen. Diese Frauen sind Fachkräfte, auf die wir dringend angewiesen sind. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie in einer so sensiblen Lebensphase ohne jede gesetzliche Absicherung dastehen. Wer bis kurz vor der Geburt körperlich hart arbeitet und direkt danach wieder loslegt, braucht nicht nur Anerkennung – sondern auch konkrete Unterstützung."
"Während abhängig Beschäftigte vor und nach der Geburt ihres Kindes durch das Mutterschaftsgeld und den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld finanziell aufgefangen werden, haben selbstständige Mütter keinen gesetzlichen Anspruch auf Einkommensersatzleistungen. Sie können zwar privat ihren Verdienstausfall infolge von Schwanger- und Mutterschaft durch eine Krankengeld- bzw. Krankentagegeldversicherung abfedern, vielen selbstständigen Handwerkerinnen ist diese Absicherungsmöglichkeit jedoch nicht bekannt oder sie haben sich bewusst dagegen entschieden."
"Aktuell werden nur rund 22 Prozent der Handwerksbetriebe in NRW von Frauen geführt. Es ist heute nicht mehr vertretbar, auf Frauen als Fach- und Führungskräfte zu verzichten. Allerdings ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für selbstständige Handwerkerinnen eine besondere Herausforderung, da hier überdurchschnittlich häufig Tätigkeiten mit körperlicher Belastung vorkommen. Im Fall einer Schwangerschaft bedeutet das für selbstständige Handwerkerinnen entweder, dass sie Verdienstausfälle zu beklagen haben oder dass sie Tätigkeiten ausführen müssen, die Angestellte nicht mehr ausführen dürfen. Wir möchten noch mehr Frauen bei ihrer Karriere im Handwerk unterstützen und setzen uns daher für verbesserte Rahmenbedingungen ein."
"Was bei Angestellten als unzumutbare Gefährdung gilt, ist für Selbstständige oft Alltag – weil sie sonst das wirtschaftliche Risiko tragen, ihren Betrieb zu gefährden. Der Eindruck drängt sich auf: Gesundheitsrisiken werden nicht eingegangen, weil es an Verantwortungsbewusstsein – sondern weil es an Schutz fehlt. Eine Schwangerschaft verläuft nicht anders, nur weil die werdende Mutter selbstständig ist. Zur Realität in der Praxis gehört auch: Selbst wer eine Versicherung abgeschlossen hat, bleibt häufig ungeschützt. Krankengeld oder Krankentagegeld wird nur gezahlt, wenn im Bezugszeitraum keinerlei Tätigkeit im Betrieb erfolgt. Keine Buchhaltung, keine Kommunikation mit Kund*innen, keine Einweisung von Mitarbeitenden. Gleichzeitig sind laufende Betriebskosten wie Miete, Leasing oder Löhne nicht abgesichert. Gerade für Gründerinnen ist auch die Berechnungsgrundlage ein Problem. Kranken(tage)geld abzusichern klingt nach einer guten Option, ist aber in vielen Fällen nur eine theoretische Lösung. Es gibt keine institutionellen Beratungsangebote, selbst Krankenkassen sind oft nicht ausreichend informiert. Und von Frauen mit Kinderwunsch wird dann erwartet, dass sie eine teure Zusatzversicherung abschließen, die am Ende in der Praxis kaum greift – das ist die Realität."
Aus den Ergebnissen wollen das Handwerk und Interessenverbände in Zusammenarbeit mit dem IfM Bonn konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten, um die Situation der Schwangeren und Mütter im Handwerk ganz konkret zu verbessern.
Quelle: ifm Bonn
Zur Studie Die Befragung entstand im Rahmen des Projekts "Machbarkeitsstudie: Wege der Unterstützung für Selbstständige im Handwerk während der Schwanger- und Mutterschaft", das vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Klimaschutz und Energie (MWIKE) des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert und vom Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) durchgeführt wird.
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