Kann die Teilzeitausbildung dem Handwerk im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen? "Durch die geringe Anzahl der Teilzeitauszubildenden ist es derzeit ein Tropfen auf den heißen Stein, aber jeder Tropfen hilft", meint Michael Junglas von der Handwerkskammer Koblenz. Im Interview erklärt er, welche Vor- und Nachteile mit einer Teilzeitausbildung verbunden sind, an wen sie sich richtet und wie die Kammern ihre Betriebe unterstützen können.

Kann die Teilzeitausbildung dem Handwerk im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen? "Durch die geringe Anzahl der Teilzeitauszubildenden ist es derzeit ein Tropfen auf den heißen Stein, aber jeder Tropfen hilft", meint Michael Junglas von der Handwerkskammer Koblenz. Im Interview erklärt er, welche Vor- und Nachteile mit einer Teilzeitausbildung verbunden sind, an wen sie sich richtet und wie die Kammern ihre Betriebe unterstützen können. (Foto: © Pavel Lipskiy/123RF.com)

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Teilzeitausbildung: Ein kleiner, aber hilfreicher Tropfen

Betriebsführung

Im Handwerk machen sich Auszubildende rar. Die Betriebe sollten auch Bewerber in den Blick nehmen, deren Lebensumstände nur eine Ausbildung in Teilzeit zulassen, meint Michael Junglas von der Handwerkskammer Koblenz.

Sie ist ein Exot in der Ausbildungsstatistik: Auf die Teilzeitausbildung entfielen 2021 lediglich 0,5 Prozent aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Deutschland. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sollten sich die Betriebe dennoch mit diesem Modell beschäftigen. Michael ­Junglas von der Handwerkskammer Koblenz stellt es vor.

Michael Junglas, Handwerkskammer Koblenz Foto: © Fotostudio ReuterMichael Junglas, Handwerkskammer Koblenz Foto: © Fotostudio Reuter

DHB: Herr Junglas, Sie setzen sich als Fachkoordinator der Ausbildungsberatung dafür ein, junge Menschen von einer Ausbildung im Handwerk zu überzeugen. Wie bekannt ist es Ihrer Erfahrung nach bei den Jugend­lichen, dass man eine Ausbildung durchaus auch in Teilzeit machen kann?
Junglas:
Ich denke nicht, dass viele Jugendliche die Teilzeitausbildung kennen – aber das muss auch nicht so sein. Die Teilzeitausbildung ist immer eine individuelle Angelegenheit, die auf die Situation der Bewerberinnen und Bewerber zugeschnitten wird. Alle, die im Bereich Ausbildung in Schulen, Arbeitsagenturen, Jobcentern und Kammern beraten, kennen die Teilzeitausbildung.

DHB: Früher war die Erlaubnis, eine Ausbildung in ­Teilzeit zu machen, an genaue Lebensumstände gebunden – inwiefern hat sich das geändert?
Junglas:
Jeder kann eine Teilzeitausbildung machen. Früher dauerte auch die Teilzeitausbildung genauso lange (24, 36 oder 42 Monate) wie eine reguläre Ausbildung. Heute muss die Ausbildungszeit so verlängert werden, wie die wöchentliche Ausbildungszeit reduziert wird. Es gibt aber maximale Ausbildungszeiten: 54 Monate bei einer Regelausbildungszeit von 36 Monaten und 63 Monate bei einer Regelausbildungszeit von 42 Monaten. Gemäß der Lebensumstände gibt es Anrechnungsmöglichkeiten, bei denen wir versuchen, den Vertrag so zu gestalten, dass er nicht über die Regelausbildungszeit hinaus laufen muss. Länger laufende Verträge sind bezüglich des Berufsschulbesuches problematisch.

Ausbildungsdauer Durch die Wahl des Teilzeitmodells verlängert sich die Ausbildung. Die Dauer berechnet sich nach folgender Formel: Die Ausbildungsdauer laut Ausbildungsordnung in Monaten wird durch die vereinbarte wöchentliche oder tägliche Ausbildungszeit in Prozent geteilt. Anschließend wird der ermittelte Wert mit 100 multipliziert. Michael Junglas macht es an einem Beispiel fest. Eine Ausbildung im Friseurhandwerk dauert ­regulär drei Jahre beziehungsweise 36 Monate. Legt man eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zugrunde, ergibt sich bei einer auf 30 Stunden (75 Prozent) reduzierten Arbeitszeit eine Ausbildungsdauer von vier Jahren (48 Monaten).

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DHB: Für wen ist diese Form der Ausbildung besonders sinnvoll?
Junglas:
Für Menschen, die sich um ­hilfsbedürftige Menschen kümmern müssen oder gesundheits­bedingt nicht in der Lage sind, eine Ausbildung in Vollzeit zu absolvieren.

DHB: Welche Eigenschaften sollte ein Auszubildender in Teilzeit auf jeden Fall mitbringen?
Junglas:
Organisationstalent ist sicher von Vorteil. Aber grundsätzlich sind keine besonderen Fähigkeiten notwendig.

DHB: Welche Nachteile durch eine Ausbildung in Teilzeit gibt es?
Junglas:
Wir versuchen die Verträge immer so zu gestalten, dass die reguläre Ausbildungszeit eingehalten werden kann. Aber es kommt auch vor, dass sich die Ausbildungszeit auf 4,5 Jahre verlängern muss. In Teilzeit kann man sich häufig nicht so stark einbringen, wenn es mal personelle Engpässe gibt, und das kann zu Problemen mit Kolleginnen und Kollegen führen. Die oder der Teilzeitbeschäftigte kann nicht länger bleiben, weil beispielsweise das Kind aus der Kita abgeholt werden muss. Zudem muss die oder der Teilzeitbeschäftigte alles unter einen Hut bringen, das kann sehr anstrengend sein.

DHB: Wie unterstützt die Handwerkskammer potenzielle Auszubildende dabei, ihnen eine Ausbildung in Teilzeit zu ermöglichen?
Junglas:
Indem die Ausbildungsberaterinnen und Ausbildungsberater die Betriebe beraten und ihnen die Angst nehmen, einen Teilzeitvertrag abzuschließen. Viele sind erst einmal skeptisch und haben viele Fragen. Zudem unterstützen wir bei der Vertragsgestaltung und stehen während der gesamten Ausbildung als Ansprechpartner zur Verfügung.

Leistungssportler und Tischler Eine Karriere als Fußballprofi und eine Ausbildung lassen sich miteinander vereinbaren. Lesen Sie im Online-Artikel "Teilzeitausbildung im Handwerk: Morgens hobeln, abends kicken" auf handwerksblatt.de, wie Nachwuchskicker Raoul Petak von Bayer 04 Leverkusen beides unter einen Hut bekommt. 

DHB: Sind Handwerksbetriebe Ihrer Meinung nach bereits offen für diese Form der Ausbildung oder müssen Sie dort noch oft Überzeugungsarbeit leisten?
Junglas:
Wie bereits gesagt müssen wir Zweifel zerstreuen, aber durch die hohe Nachfrage an Fachkräften ist die Bereitschaft bei den Betrieben erkennbar. Es gibt aber nur sehr wenige Bewerber, die eine Ausbildung in Teilzeit machen möchten, und die Teilzeit muss auch durchführbar sein. Wenn ein Team auf einer 100 Kilometer entfernten Baustelle arbeitet, ist es schwerlich möglich, den Teilzeitauszubildenden um 13 Uhr nach Hause zu bringen.

DHB: Welche Vorteile hat die Ausbildung in Teilzeit für Betriebe?
Junglas:
Es können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen werden, die zu einer Vollzeitausbildung nicht imstande sind. Wenn dem Betrieb Arbeitskräfte fehlen und die Teilzeitausbildung durchführbar ist, trägt er seinen Teil zur Fachkräftesicherung bei. Zudem ändern sich Lebenssituationen und die oder der Teilzeitauszubildende ist die volle Kraft von morgen.

DHB: Inwiefern hilft diese Möglichkeit dem Handwerk und dem Kampf gegen den Fachkräftemangel?
Junglas:
Durch die geringe Anzahl der Teilzeitauszubildenden ist es derzeit ein Tropfen auf den heißen Stein, aber jeder Tropfen hilft.

DHB: Wo können sich Jugendliche oder auch ältere Berufseinsteiger informieren, wenn sie nun erwägen, eine Ausbildung in Teilzeit zu beginnen?
Junglas: Einfach kurzfristig einen Termin mit einem Coach für betriebliche Ausbildung vereinbaren und sich beraten lassen. Wir unterstützen auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Da immer einer der Coaches im Haus ist, kann man auch ohne Termin zu uns kommen.

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Text: / handwerksblatt.de

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