Glockengießerhandwerk: Süßer die Glocken
Die Prüfungsbedingungen für Deutschlands jüngsten Metall- und Glockengießermeister Julius Maas aus der Eifel sind hart.
Seine Kindheit wäre guter Stoff für den Einstieg in einen Abenteuerroman. Julius Maas wächst in der Vulkaneifel auf, in einer Glockengießerei. Der Vater ist Fotograf, die Mutter die einzige Glockengießermeisterin Deutschlands. In Brockscheid, wo sich vor mehr als 10.000 Jahren glühende Lava über das Land ergoss, hatte die Familie Mark 1840 die Eifeler Glockengießerei erworben. Mit der Übernahme im Jahr 2009 läutet die dreifache Mutter Cornelia Mark-Maas die sechste Generation im Betrieb ein.
Von Kindesbeinen an ist die Gießerei Julius’ Wohlfühlort: "Ein großer Spielplatz mit viel Action und Spektakel aus Feuer, Glut und Hitze, Staub und Dreck." Er liebt den Moment, wenn die Mitarbeiter eine große Glockenform aus Lehm im Boden der Halle versenken. Wenn die 1100 Grad heiße Bronze durch Bahnen rinnt und die Glocke gegossen wird. Wenn sie nach tagelanger Abkühlung endlich aus ihrer Form befreit wird. Überirdisch sei auch der ohrenbetäubende Lärm beim Brennen der Glockenform: "Da werden Urgewalten erzeugt! Das Bollern des Schmelzofens hört man im ganzen Dorf. Das geht unter die Haut und lässt niemanden kalt!", ist er überzeugt.
Mit zwölf die erste Glocke gegossen
Hier wird 1.100 Grad heiße Bronze in die eingemauerte Glockenform gefüllt. Foto: © KSTA/Max Grönert"Im Alter von zwölf Jahren habe ich dann meine erste Glocke gegossen", erzählt Julius. "Da war mir längst klar, dass ich Glockengießer werden will wie meine Mutter, mein Opa und weitere Vorfahren." Er erlernt den Beruf bei seiner Mutter und unterstützt sie als Geselle. Zu diesem Handwerk gehört viel mehr als das Gießen: die Herstellung von Glockenstühlen etwa oder das Installieren und Warten von Glockenanlagen. So ist Meister Maas nicht nur Experte für den guten Ton. Er sorgt auch dafür, dass die Glocken nicht vom Himmel fallen. "Mittlerweile gibt es bundesweit nur noch knapp eine Handvoll Glockengießereien, da die Nachfrage nach neuen Geläuten seit Jahren zurückgeht", sagt er. "Gotteshäuser werden kaum noch gebaut. Und so eine Glocke hält ja auch ewig. Die älteste in Deutschland ist gut 1.000 Jahre alt."
Weniger Aufträge, weniger Glockengießereien, weniger Gesellen und Meister: Als Julius Maas sich für die Meisterausbildung entscheidet, ist er der einzige Prüfling in diesem Handwerk. Die Handwerkskammer Trier setzt alle Hebel in Bewegung und ruft Experten aus der ganzen Republik zusammen, um einen Prüfungsausschuss zu bilden. Die letzte Meisterprüfung im Metall- und Glockengießerhandwerk hatte sie 2001 abgenommen, als auch Cornelia Mark-Maas ihren Titel erwarb.
Der einzige Prüfling
Die Umstände sind nicht nur für den Prüfungsausschuss und das Meisterreferat eine Herausforderung, sondern auch für den angehenden Meister: Für einen einzigen Prüfling kann die Kammer keine Kurse in Fachpraxis und Fachtheorie auf die Beine stellen. Also bereitet der Geselle sich in Eigenregie vor. Sinnbildhafter Ort für die praktische Prüfung ist das Glockengießerdorf Brockscheid: In der Glockenstraße 51 entsteht Julius Maas’ Meisterstück, eine mehr als 400 Kilo schwere Glocke.
Unter Anwesenheit des Prüfungsausschusses geht die schwere Aufgabe sang- und klangvoll über die Bühne. Viel Applaus hat ihm auch die Bewertung beschert: Kürzlich wurde Deutschlands jüngster Glockengießermeister als Landesbester von Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt in Mainz geehrt. Seine lobenswerten Leistungen will der junge Meister aber gar nicht an die gro... – na, Sie wissen schon!
Exotische Existenzgründung
2020 musste die Familie den Betrieb aufgeben. Doch das letzte Kapitel ist damit nicht aufgeschlagen: Glücklicherweise geht das Glockengießen unter dem neuen Besitzer weiter – wenn auch eingeschränkt. Julius Maas unterstützt ihn dabei.
Unterdessen hat sich der frischgebackene Meister in Schalkenmehren eine neue Existenz aufgebaut: die Eifeler Glockenservice J. Maas GmbH. Experten für das Instandhalten, Warten, Austauschen, Erneuern von Glocken und Glockenstühlen sind nach wie vor gefragt. So bleiben Himmel und Erde durch den Glockenton verbunden – zur Weihnachtszeit bekanntlich süßer denn je.
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Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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