In manchen Ländern sind die Mindestlöhne automatisch an die Inflation gekoppelt.

In manchen Ländern sind die Mindestlöhne automatisch an die Inflation gekoppelt. (Foto: © gwolters/123RF.com)

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Mindestlohn: EU-Richtlinie ist teilweise rechtens

Mit einer Richtlinie setzt die EU Standards zu Mindestlöhnen in Europa. In zwei Punkten hat sie aber ihre Kompetenzen überschritten, urteilt der EuGH. Andere Regelungen bleiben wirksam.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 11. November 2025 über die Mindestlohnrichtlinie entschieden. Sie ist größtenteils wirksam, außer in zwei Teilaspekten. Dabei geht es erstens um die Kriterien, die EU-Länder mit Mindestlöhnen bei deren Festlegung berücksichtigen mussten – etwa die Kaufkraft. Zweitens darf der gesetzliche Mindestlohn gesenkt werden,  wenn er automatisch angepasst wird, etwa an die Inflation. Die Richtlinie hatte das verboten.

Der Fall

Die EU-Mindestlohn-Richtlinie trat im November 2022 in Kraft. Sie soll sicherstellen, dass in den Mitgliedstaaten angemessene Mindestlöhne gezahlt und menschenwürdige Arbeitsbedingen geschaffen werden. Dabei enthält sie keinen verpflichtenden Mindestlohn, sondern Rahmenbedingungen, die die Schaffung von angemessenen Löhnen fördern sollen: Kaufkraft, allgemeine Lohnentwicklung, Entwicklung der Produktivität.

Teil der Richtlinie ist auch das Verbot, den gesetzlichen Mindestlohn zu senken, wenn es einen automatischen Anpassungsmechanismus – etwa an die Inflation – gibt.

Dänemark forderte, dass die Richtlinie für nichtig erklärt wird. Sie hatten rechtliche Zweifel an der EU-Kompetenz für das Thema Arbeitsentgelt und klagten vor dem Europäischen Gerichtshof. Art. 153 Abs. 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Union (AEUV) schließe Regelungen zum Arbeitsentgelt aus, aber genau das sei Thema der Richtlinie, argumentierten die Skandinavier.

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Schweden hatte die Klage Dänemarks unterstützt, der zuständige Generalanwalt Emiliou ist ebenfalls dieser Meinung. Deutschland und sechs weitere EU-Staaten sowie die EU-Kommission teilen die Ansicht des EU-Gesetzgebers und gingen von einer Wirksamkeit aus.

Das Urteil

Der EuGH erklärte die Richtlinie nicht in Gänze für nichtig, gab Dänemark aber in zwei Punkten Recht. Erstens: Er wertete die Mindestlohn-Kriterien als direkten Eingriff in die Festsetzung des Arbeitsentgelts durch die EU und somit als unzulässig. Die Höhe der Löhne ist laut den Europarichterinnen und -Richtern allein Sache der Mitgliedsstaaten. Die EU dürfe mit Richtlinien lediglich beispielsweise Arbeitsbedingungen regeln.

Zweitens kippte der EUGH das Verbot, den gesetzlichen Mindestlohn zu senken, wenn es einen automatischen Anpassungsmechanismus gibt. In manchen Ländern sind die Löhne automatisch an die Inflation gekoppelt: Steigt diese, steigen dort auch die Löhne. Dadurch soll die Kaufkraft der Bürger erhalten bleiben. Belgien und Luxemburg haben solche Regelungen. Die Richtlinie besagte, dass Löhne, die an die Inflation gekoppelt sind, nicht gesenkt werden dürfen, und zwar auch dann nicht, wenn die Inflation wieder fällt. Das wertete der EuGH als unzulässigen Eingriff.

Die Regelung der Richtlinie, die die Länder verpflichtet, auf hohe Abdeckungsraten von Tarifverträgen hinzuwirken, ist hingegen wirksam. Ein unmittelbarer Eingriff in das Koalitionsrecht ist hier laut EuGH nicht zu erkennen. Die Bestimmung schreibe den Ländern nämlich nicht direkte Handlungen vor. Die Regelung greift, wenn weniger als 80 Prozent der Beschäftigten von Tarifverträgen erfasst werden.

In Deutschland noch nicht umgesetzt

Auf den Mindestlohn in Deutschland hat das EuGH-Urteil keine direkte Auswirkung, er steigt zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später auf 14,60. Hierzulande ist die Richtlinie bislang nicht umgesetzt worden, obwohl der 15. November 2024 Stichtag war. 

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11. November 2024, Rs. C-19/23

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Text: / handwerksblatt.de

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