Massiver Anstieg an Firmenpleiten
Der Corona-Effekt ist verpufft: 18.100 Unternehmen in Deutschland mussten in diesem Jahr Insolvenz anmelden, ein Viertel mehr als im Vorjahr. Düstere Wolken ziehen laut Creditreform über der Bauwirtschaft auf.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Sanierung, Schutzschirm oder Insolvenz?
Die Zahl der Firmenpleiten hat in diesem Jahr wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 23,5 Prozent auf 18.100 Fälle. 2022 waren es noch 14.660 Firmenpleiten.
Foto: © CreditreformDamit würden die Insolvenzzahlen bei den Zahlen von 2019 liegen. Im historischen Vergleich sei das noch wenig. Vor zehn Jahren habe die jährliche Zahl der Unternehmensinsolvenzen bei rund 26.000 Fällen betragen. Angesichts der schwachen Konjunktur sei allerdings eine Trendwende absehbar.
"Immer mehr Firmen brechen unter den Dauerbelastungen der hohen Energiepreise und der Zinswende zusammen", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Im Vergleich zu 2019 hätten sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen signifikant verschlechtert und der "wirtschaftspolitische Schlingerkurs", so Hantzsch, verunsichere zusätzlich.
Corona-Sonderregelungen Im Zuge der Corona-Pandemie wurden seit 2020 umfassende Lockerungen im Insolvenzrecht eingeführt, darunter das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht, um Unternehmen in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Viele dieser Sonderregelungen sind bereits ausgelaufen, aber zum Jahreswechsel 2024 treten zwei bedeutende Änderungen im Insolvenzrecht in Kraft, deren Auswirkungen bereits heute berücksichtigt werden sollten. Mehr dazu lesen Sie hier
Massiv gestiegen ist laut der Creditreform-Analyse die Zahl an Insolvenzen von mittleren und großen Unternehmen. Bei Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern lagen die Fallzahlen um 50 Prozent über dem Vorjahreswert. Prominente Fälle waren das Modeunternehmen Peek & Cloppenburg KG sowie der Lebensmitteleinzelhändler Real GmbH. Ebenfalls Insolvenz angemeldet haben das Modehaus Hallhuber GmbH und die Gerry Weber Retail GmbH.
Bei Unternehmen mittlerer Größe mit 51 bis 250 Beschäftigten stiegen die Insolvenzen um rund 76 Prozent, bei kleinen Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten um knapp 19 Prozent. 2023 waren zudem mehr Arbeitnehmer von der Insolvenz betroffen. Schätzungsweise 205.000 Arbeitsplätze sind bedroht oder weggefallen. 2022 waren es 175.000.
"Auch wenn es 2023 zahlreiche Großinsolvenzen im Handel, im Bau und im Gesundheitssektor gab, hat sich das Insolvenzgeschehen doch auf breiter Front insgesamt beschleunigt", betont Hantzsch. Ein Grund dafür dürften auch Nachholeffekte sein, so der Experte. Viele nun insolvente Unternehmen hätten jahrelang gegen multiple Krisen wie Corona, Inflation und Fachkräftemangel angekämpft.
Besonders die sonst so stabile GmbH ist betroffen
Im Gegensatz zu früheren Jahren sind momentan insbesondere GmbHs betroffen. Der Anteil der GmbH am Insolvenzgeschehen stieg gegenüber 2022 von 39,0 auf 42,4 Prozent. Etwas niedriger als im Vorjahr war der Anteil der UG (haftungsbeschränkt). 10,7 Prozent aller Insolvenzfälle firmierten demnach als Unternehmergesellschaft (Vorjahr: 11,3 Prozent).
Der Anstieg der Insolvenzzahlen zog sich 2023 durch alle Branchen. Am stärksten war er im
- 1.380 Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe (plus 30,2 Prozent),
- gefolgt von 3.490 Insolvenzen im Handel (plus 26,0 Prozent).
- Im Baugewerbe gab es einen Anstieg um 20,8 Prozent (2.900 Insolvenzen, 500 mehr als im Vorjahr).
- Der Zuwachs im Dienstleistungsgewerbe im Vergleich zum Vorjahr betrug plus 22,3 Prozent (10.000 Insolvenzen im Vergleich zu 8.430 im Vorjahr).
Enorme Belastungen für das Baugewerbe
Foto: © Creditreform"Durch hohe Zinsen, steigende Baukosten und dem Einbruch der Nachfrage steht die Bauwirtschaft in Deutschland vor schwierigen Zeiten", so Hantzsch. "Der Insolvenzantrag der Signa Real Estate Germany und schließlich der gesamten Signa Holding von Haupteigner René Benko in Wien zeigen, wie schwierig die Lage für Projektentwickler und Bauträger geworden ist." Noch sei nicht abzusehen, welche Investoren aktiv werden könnten. 2.900 Insolvenzfälle gab es 2023 in der Baubranche, 500 mehr als im Vorjahr.
Laut Creditreform würden die aktuellen Zahlen auf eine heraufziehende Krise im Bausektor hindeuten. Aus Sicht von Kreditgebern und Lieferanten sei bereits in den letzten Monaten eine Verschlechterung der Zahlungsmoral im Baugewerbe zu beobachten gewesen.
Debitoren würden ihre Rechnungen zunehmend mit Verzug zahlen. Die Überfälligkeitszeit der Rechnungen erhöhte sich im ersten Halbjahr 2023 von 15,10 auf 15,49 Tage. "Die Kreditgeber der Bauwirtschaft mussten folglich länger auf ihr Geld warten."
Zudem sei auch das Baugewerbe selbst mit schlechteren Finanzierungsbedingungen konfrontiert. "Bauunternehmen beklagen zunehmend eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens ihrer Kunden, die Forderungsverluste haben zugenommen", berichtet Creditreform Sprecher Hantzsch.
Der Druck auf die Liquiditätslage der Bauunternehmen würde immer immer mehr steigen, die Insolvenzen zunehmen. "Besonders betroffen waren im Jahr 2023 Branchen wie beispielsweise Erschließung von Grundstücken und Bauträger, Straßenbau und Tiefbau. Weiter zunehmende Belastungen für das Baugewerbe dürften diesen Trend noch verstärken."
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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