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15 Euro Mindestlohn: Olaf Scholz stößt auf Widerstand in der Wirtschaft

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in einem Interview für die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro ausgesprochen. Kritik aus der Wirtschaft kam prompt. Das Friseurhandwerk spricht von "unabsehbaren Konsequenzen".

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in einem Interview mit der Wochenzeitschrift "Stern" vom 14. Mai für eine zweistufige Anhebung des Mindestlohns auf zunächst 14 Euro und dann weiter auf 15 Euro ausgesprochen. Der Kanzler kritisierte in dem Zusammenhang auch die Arbeit der Mindestlohnkommission*. "Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt. Das war ein Tabubruch", sagte Scholz gegenüber dem Stern. Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit 1. Januar 2024 bei 12,41 Euro und steigt zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro. Zuletzt hatte sich die Gewerkschaft Verdi unter Verweis auf eine EU-Richtlinie für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ausgesprochen.

Scholz löste damit eine Debatte aus und bekam prompt viel Widerspruch aus der Wirtschaft, etwa vom Arbeitgeberverband BDA. Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger erklärte:  "Wenn Politik und Gewerkschaften weiter die Verhandlungen zum Mindestlohn in der Presse führen, dann kann man die Mindestlohnkommission auch gleich auflösen. Der Bundeskanzler behauptet, die Arbeitgeber hätten einen Tabubruch begangen. Bei allem gebotenen Respekt: Das ist Unsinn. Richtig ist, dass die Gewerkschaften nicht mehr bereit waren, eine Regel zu akzeptieren, die ein gemeinsames Entscheiden ermöglicht hätte."

"Mindestlohn ist kein Thema für den politischen Wahlkampf", kritisiert der Friseurverband

Kritik kam auch aus dem Handwerk. So erklärte der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (ZV), der Kanzler schüre nicht nur die Debatte um den Mindestlohn, sondern auch die Verunsicherung und Existenzängste der Arbeitgeber im Friseurhandwerk. Der mit der Forderung verbundene Lohnanstieg von 17,2 Prozent habe "unabsehbare Konsequenzen für Beschäftigte wie für Unternehmende in der wirtschaftlich angeschlagenen Branche". 

Manuela Härtelt-Dören Foto: © ZV Friseurhandwerk / Alois MüllerManuela Härtelt-Dören Foto: © ZV Friseurhandwerk / Alois Müller

"Der Vorstoß des Kanzlers ist zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehbar. Die Verhandlungen zum Mindestlohn gehören nicht in die Presse, sondern in die Mindestlohnkommission", so ZV-Präsidentin Manuela Härtelt-Dören. Die Debatte dürfe nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen werden, ergänzt Christian Kaiser, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Friseurverband. "Der gesetzliche Mindestlohn ist kein politischer Spielball", kritisiert Kaiser. Das sozialpartnerschaftliche System habe sich Jahrzehnte bewährt.

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"Der politische Eingriff wirkt sich immens auf die bestehenden Tarifverträge im Friseurhandwerk aus und konterkariert aktuell laufende Tarifgespräche mit Verdi. Aus guten Gründen sitzen Arbeitnehmende und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zusammen. Beide Seiten sind Experten ihrer Branche und wissen, was für die Betriebe wirtschaftlich tragbar und zumutbar ist." Der Vertrauensverlust der Betriebe "durch den Vorstoß und Eingriff der Politik in die Mindestlohndebatte" sei nicht mehr gut zu machen, ärgert sich der Verband. Kaiser weiter: "Mindestlohn ist kein Thema für den politischen Wahlkampf. Die Politisierung öffnet der Willkür und dem Populismus Tür und Tor."

* Die Mindestlohnkommission Der gesetzliche Mindestlohn wurde im Jahr 2015 eingeführt. Wie im Mindestlohngesetz (MiLoG) vorgesehen wird er turnusmäßig angepasst. Zur Anpassung des Mindestlohns hat der Gesetzgeber eine ständige unabhängige Mindestlohnkommission eingerichtet. Die Kommission hat zuletzt am 26. Juni 2023 die vierte Anpassung des Mindestlohns beschlossen. Quelle mindestlohn-kommission.de

Das sind die aktuellen Branchenmindestlöhne im Handwerk 

In folgenden Gewerken ist der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 gestiegen oder steigt im Laufe des Jahres:

Dachdecker

Seit 1. Januar 2024 liegt der Branchenmindestlohn im Dachdeckerhandwerk bei 13,90 Euro brutto pro Stunde für ungelernte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Mindestlohn 1). Das sind 60 Cent oder 4,5 Prozent mehr gegenüber 2023. Gesellinnen und Gesellen im Dachdeckerhandwerk, Zimmerer- oder Klempnerhandwerk (Mindestlohn 2) erhalten jetzt mindestens 15,60 Euro die Stunde (vorher 14,80 Euro). Die zweite Stufe greift ab dem 1. Januar 2025, dann erhöht sich der Mindestlohn1 im Dachdeckerhandwerk um 3,2 Prozent auf 14,35 Euro. Gesellinnen und Gesellen erhalten dann 16,00 Euro.

Elektrohandwerk

Der Branchenmindestlohn im Elektrohandwerk beträgt seit 1. Januar 2024 13,95 Euro. Das betrifft Elektronikerinnen und Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik, für Informations- und Telekommunikationstechnik, für Maschinen und Antriebstechnik, Elektronikerinnen und Elektroniker Automatisierungstechnik, Geräte- und Systemtechnik, Bürosystemtechnik sowie Systemelektronikerinnen und Systemelektroniker.

Gebäudereiniger

Der allgemeinverbindliche Branchenmindestlohn in der Lohngruppe 1 stieg zum 1. Januar 2024 auf 13,50 Euro. Der Mindestlohn für Fachkräfte sowie für die Glas- und Fassadenreinigung (Lohngruppe 6) liegt jetzt bei 16,70 Euro.

Gerüstbauer

Der Mindestlohn für Gerüstbauer beträgt seit 1. Oktober 2023 13,60 Euro. Zum 1. Oktober 2024 erhöht er sich auf 13,95 Euro pro Stunde. Der neue Tarifvertrag trat zum 1. Oktober 2023 in Kraft und haben eine Laufzeit von 24 Monaten.

Maler und Lackierer

Zum 1. April 2024 steigt der Mindestlohn im Maler- und Lackiererhandwerk auf 15 Euro pro Stunde und für ungelernte Beschäftigte auf 13 Euro. Bis dahin beträgt er 14,50 Euro pro Stunde für Gesellen und 12,50 Euro für ungelernte Arbeiter und Arbeitnehmerinnen, also 50 Cent weniger. "Ungelernte Arbeitnehmer" arbeiten unter Aufsicht und Anleitung (insbesondere von Gesellen oder Vorarbeitern) und führen einfache Hilfstätigkeiten aus.

Schornsteinfeger

Der Branchenmindestlohn für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Schornsteinfegerhandwerk beträgt  seit 1. Januar 2024 14,50 Euro brutto pro Stunde. Das sind 30 Cent mehr gegenüber 2023 (14,20 Euro).

Steinmetze und Steinbildhauer

Steinmetze und Steinbildhauer bekommen seit dem 1. August 2022 bis 30. September 2023 mindestens 13,35 Euro pro Stunde.

Unsere Quellen: DGB; Zoll, ZV Friseurhandwerk; Stern

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Text: / handwerksblatt.de

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