Foto: © Kai Myller Fotografie
HWK Koblenz | August 2025
Handwerk begeisterte bei den Azubispots
Was für ein Erfolg: Die Azubispots 2025 brachten wieder mehrere Tausend Schüler mit den Handwerksbetrieben in der Kammerregion Koblenz zusammen.
Motivierte Handwerker zeigen Teamgeist und Tatkraft – gemeinsam setzen sie ihre Projekte mit Leidenschaft, Präzision und einem klaren Ziel vor Augen um. (Foto: © stylephotographs/123RF.com)
Vorlesen:
August 2025
Handwerk lebt vom Engagement der Mitarbeiter. Doch manchmal lässt die Motivation nach. Woran liegt das – und was können Chefs im Handwerk dagegen tun?
Eine repräsentative Gallup-Studie zeigt: Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland machen Dienst nach Vorschrift. 2023 waren es bereits 67 Prozent, 2024 stieg der Anteil auf 78 Prozent. Und wie ist die Lage im Handwerk? Konkrete Zahlen dazu gibt es nicht, "aber ich glaube nicht, dass sich das Handwerk da wesentlich von anderen Branchen unterscheidet", sagt Jörg Mosler. Der Dachdeckermeister und Experte für Mitarbeiter- und Azubigewinnung aus Nürnberg warnt: "Dienst nach Vorschrift wirkt sich schnell auf die Produktivität und das Betriebsergebnis aus." Doch wie bleibt ein Team motiviert – und was können Chefs im Handwerk tun, wenn die Stimmung kippt?
Der wichtigste Rat von Jörg Mosler: Sprechen Sie miteinander, damit solche Probleme gar nicht erst entstehen. Er empfiehlt Mitarbeitergespräche, mindestens halbjährlich "und bitte nicht zwischen Tür und Angel". In solchen Gesprächen sollten Chefs "in die Tiefe gehen". Er denkt dabei vor allem an konkrete Fragen zur Motivation und zu den Bedürfnissen der Mitarbeiter. Wie könnten solche Fragen lauten? Zum Beispiel so:
- Glaubst du, dass du Stärken hast, die ungenutzt bleiben? Und wie könntest du sie einbringen?
- Hast du Stärken und Fähigkeiten, an denen du gerne selbst arbeiten möchtest?
- Was ist dein größter Wunsch an mich als Führungskraft?
Und wenn der Mitarbeiter nicht sofort vor lauter Ideen sprudelt? "Widerstehen Sie der Versuchung, sofort eigene Vorschläge einzuwerfen", warnt Mosler. Schweigen und Abwarten ist dann die Devise. "Dann kommen schon Antworten." Solche Gespräche kosten natürlich Zeit. "Aber kein Chef, der das regelmäßig und intensiv macht, hat das jemals bereut", berichtet der Berater.
Oft entwickeln sich Motivationsprobleme schleichend. Wie merken Chefs, dass etwas im Team nicht stimmt? Susanne Hasemann, Handwerks-Coachin aus Hanstedt, kennt die typischen Anzeichen und wie es langsam schlimmer wird:
- Rückzug: Mitarbeiter äußern sich nicht mehr, wirken verschlossen und unmotiviert. Sie ziehen sich zurück und gehen sich aus dem Weg. Die sonst üblichen kurzen Gespräche mit Chef und Kollegen werden immer weniger, irgendwann fallen sie ganz aus.
- Dienst nach Vorschrift: Mitarbeiter leisten nur noch das Minimum, zeigen kein Engagement und helfen Kollegen nicht mehr. Wer früher problemlos eine halbe Stunde länger blieb, um noch eine Baustelle fertig zu machen, besteht jetzt auf einem pünktlichen Feierabend.
- Eskalation: Kleinere Konflikte im Team wachsen sich langsam zu großen Problemen aus. Die Stimmung kippt, Fehler häufen sich, die Leistung sinkt.
So weit sollten Sie es nicht kommen lassen. "Wenn das Team nicht mehr spricht, sondern schweigt, ist das schon höchste Alarmstufe", so Susanne Hasemann. "Meckern ist gut, Schweigen ist gefährlich."
Wer solche Warnsignale erkennt, muss nach den Ursachen forschen. Hasemanns Tipps für die Recherche:
- Einzelgespräche: Suchen Sie das Gespräch mit einzelnen Teammitgliedern, wenn Sie merken, dass die Stimmung kippt. Sprechen Sie Probleme offen an und fragen Sie nach den Ursachen.
- Ausmaß ermitteln: Klären Sie, ob es sich um ein Einzelproblem handelt oder ob das Team insgesamt betroffen ist. Nicht jeder, der sich beschwert, spricht für das ganze Team. "Manchmal versucht ein Mitarbeiter, andere zu instrumentalisieren", warnt Hasemann. Deswegen helfen Einzelgespräche, die tatsächliche Lage zu erfassen.
- Lösungen finden: Fragen Sie Mitarbeiter nach Lösungsmöglichkeiten. Wenn Sie Lösungen gemeinsam erarbeiten, steigt die Identifikation mit dem Betrieb deutlich.
Wichtig: Die Gründe für sinkende Motivation sind nicht immer im Betrieb zu finden: "Fragen Sie bei auffälligen Veränderungen immer zuerst nach privaten Belastungen", empfiehlt Hasemann. Wenn private Sorgen der Auslöser sind, sollten Sie Hilfe anbieten.
Doch häufig sind die Auslöser für Motivationsprobleme hausgemacht. Betriebsinhaber sollten sich daher auf einiges gefasst machen, wenn sie nach den Gründen fragen. Die häufigsten Ursachen sind nach Hasemanns Erfahrung:
- Mangelnde Wertschätzung: Mitarbeiter fühlen sich nicht gehört oder nicht wertgeschätzt.
- Gebrochene Versprechen: Chefs machen Zusagen, die sie nicht einhalten.
- Fehlende Einarbeitung und Fortbildung: Mitarbeiter erhalten keine strukturierte Einarbeitung oder nicht die notwendigen Fortbildungen, um ihre Aufgaben zu erledigen.
- Fehlende Kommunikationskultur: Viele Betriebe haben keine regelmäßigen Betriebsversammlungen oder informieren Mitarbeiter zu spät und zu wenig über wichtige Entwicklungen.
- Schlechte Organisation: Zusätzliche Aufwände und Wege infolge fehlender Informationen, schlechter Absprachen, fehlendem Material wirken auf Dauer ebenfalls demotivierend.
- Unabgeschlossene Aufgaben: Frustrierend ist es für Mitarbeiter auch, wenn sie immer wieder von ihrer Arbeit abgezogen werden, um an anderer Stelle dringende Aufgaben zu erledigen.
- Fehlende Mitarbeiterbeteiligung: Wenn Mitarbeiter nur Anweisungen befolgen und keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, entsteht Frustration statt Eigenverantwortung.
- Mangelnde Klarheit: Motivationsprobleme können auch durch einen zu sanften Führungsstil entstehen, bei dem Chefs aus übertriebener Vorsicht gegenüber dem Team nicht für die nötige Klarheit sorgen.
Ob schlechte Organisation oder fehlende Wertschätzung: Viele dieser Probleme verletzen die emotionalen Grundbedürfnisse der Mitarbeiter und wirken dadurch demotivierend, sagt Jörg Mosler. "Motivation entsteht, wenn die Arbeit zu den eigenen Bedürfnissen passt", so Mosler. Daher sei es für Betriebsinhaber hilfreich, sich diese Bedürfnisse bewusst zu machen:
- Sicherheit: Klare Strukturen und verlässliche Rahmenbedingungen.
- Wachstum und Erfolg: Die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.
- Abwechslung und Abenteuer: Raum für Neues und Ausprobieren.
- Bedeutung: Gesehen werden, wichtig sein.
- Zugehörigkeit: Teil eines starken Teams sein.
- Beitrag leisten: Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
"Wir alle haben diese Bedürfnisse in unterschiedlich starker Ausprägung", sagt Mosler. Manche brauchen vor allem Sicherheit, andere wollen ständig neue Herausforderungen, und wieder andere wünschen sich einfach nur, dass ihre Arbeit gesehen wird. "Das ist individuell unterschiedlich und so etwas wie unser emotionaler Fingerabdruck.
Tipp: Machen Sie diese Grundbedürfnisse in Mitarbeitergesprächen zum Thema. Je besser Sie die individuellen Motive Ihrer Mitarbeiter kennen, desto gezielter können Sie Ihr Team führen.
Eine weitere Ursache für Demotivation liegt Hasemann zufolge in der Kommunikation. Der Chef sendet Botschaften – aber was kommt wirklich an? "Die Nachricht entsteht nicht beim Sender, sondern im Kopf des Empfängers", betont die Beraterin. "Sie müssen als Führungskraft sicherstellen, dass Ihre Botschaften verstanden werden.
Tipp: Sichern Sie in der Morgenbesprechung ab, dass die Mitarbeiter Aufträge lesen, empfiehlt Hasemann. "Der Chef sollte dann Fragen zum Auftrag stellen, zum Beispiel: Wie wollt ihr den Auftrag durchführen?" Das verhindere Missverständnisse. Nützlich sei auch eine Auftragscheckliste, digital oder ausgedruckt, die für mehr Selbstsicherheit sorgt.
"Mitarbeiter wollen wertgeschätzt werden", betont Hasemann. Lob und Dank sind auch im stressigen Alltag unverzichtbar. Ein einfaches "Danke für deinen Einsatz" oder eine kleine Geste, wie Kaffee und Brötchen auf der Baustelle, können viel bewirken.
Vorsicht: Lob muss ehrlich gemeint sein. Wertschätzung darf nicht zur Floskel verkommen. Falsches Lob erkennen Mitarbeiter sehr schnell.
Motivation entsteht auch, wenn Mitarbeiter Verantwortung übernehmen dürfen. "Wer nur auf Anweisung arbeitet, kann nicht eigenverantwortlich handeln", so Hasemann. Sie rät, Mitarbeiter bei der Lösung von Problemen einzubeziehen: Stellen Sie Fragen wie: "Wie würdest du das machen? Was ist deine Idee?" Das stärkt die Identifikation mit dem Betrieb und nutzt die Kompetenzen der Mitarbeiter für die Problemlösung.
Motivation lebt von einer starken Teamkultur. "Teammeetings sind wichtig – und damit meine ich nicht die morgendliche Auftragsbesprechung oder das Grillen nach Feierabend", betont Hasemann.
Tipp: Nutzen Sie regelmäßige Meetings, um gemeinsam Erfolge zu feiern und über Verbesserungsmöglichkeiten zu sprechen. Vereinbaren Sie konkrete Maßnahmen und Zuständigkeiten. "Diese Absprachen sollten Sie festhalten und gemeinsam im Team überprüfen, ob sie umgesetzt wurden", empfiehlt die Beraterin. So entstehen Vertrauen und das Gefühl, gemeinsam voranzukommen.
Oft helfen bei Motivationsproblemen Einzelgespräche. Doch ist die Teamstimmung im Keller und sind die Probleme gravierend, kommen Chefs um eine Teambesprechung nicht herum, sagt Hasemann. "Dann muss man als Chef mutig sein." Ihr Rat:
- Seien Sie ehrlich und gestehen Sie eigene Fehler ein. Das baut Barrieren ab.
- Sprechen Sie offen an, dass Sie Veränderungen wünschen und die Unterstützung Ihres Teams brauchen.
- Fordern Sie Feedback ein. Nehmen Sie das Feedback an, ohne sich zu rechtfertigen.
- Vereinbaren Sie konkrete Maßnahmen, die Sie dann auch einhalten.
"Echtes Teamklima entsteht nur, wenn Führungskräfte bereit sind, sich selbst zu reflektieren und den Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen", so Hasemann.
Und welche Rolle spielen materielle Anreize wie Gehalt, Benefits oder auch eine gute Ausrüstung für die Motivation? "Solche Anreize sind ein Baustein der Wertschätzung und wichtig im Wettbewerb um Fachkräfte", sagt Jörg Mosler. Für dauerhafte Motivation würden sie jedoch nicht sorgen. "Wer nur wegen des Gehalts bleibt, macht am Ende Dienst nach Vorschrift."
Viel wichtiger für die Motivation ist nach seiner Einschätzung die Stimmung im Betrieb: "Ist die Stimmung gut, ziehen alle mit." Das bestätigt auch eine Umfrage Moslers unter 500 Handwerkern nach den größten Motivationsfaktoren. Die häufigsten Antworten: "Spaß bei der Arbeit", "gute Kollegen" und "dass ich mich wohlfühle".
Trotz aller Bemühungen: Nicht jeder Mitarbeiter lässt sich motivieren. Dann müssen Chefs abwägen, sagt Hasemann: Wie wichtig ist dieser Mitarbeiter für den Betrieb? Und wie groß würde der Schaden, wenn er dauerhaft die Stimmung und Motivation der Kollegen beeinflusst? "Wenn es echt nicht mehr passt, dann muss dieser Mitarbeiter einfach gehen", empfiehlt die Beraterin.
Tipp: Auch einem solchen Mitarbeiter sollten Sie eine Chance geben. Machen Sie deutlich, welche Veränderungen Sie von ihm erwarten. Setzen Sie sich dabei innerlich eine Frist, bis wann sich etwas tun muss, rät Hasemann. Und wenn sich nichts tut? "Dann ziehen Sie die Reißleine."
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!
Kommentar schreiben