Seit Mai Bildungsminister in Brandenburg: Steffen Freiberg.

Seit Mai Bildungsminister in Brandenburg: Steffen Freiberg. (Foto: © Staatskanzlei Brandenburg)

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Oberstufenzentren sollen erhalten werden

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Brandenburgs neuer Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) spricht im DHB-Interview über Berufsorientierung an den Schulen, die Förderung von Praxiswochen und die Zukunft der Berufsschulen.

Zur Person: Steffen Freiberg wurde am 23. September 1981 in Rostock geboren. Er studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften sowie Anglistik/Amerikanistik an der Universität Rostock. Von 2016 bis 2021 war er Bildungsstaatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern.

DHB: Herr Freiberg, Sie haben Ihr Amt als Bildungsminister am 10. Mai 2023 angetreten. Bis zur nächsten Landtagswahl im Herbst 2024 haben Sie nun gerade mal ein gutes Jahr Zeit, Ihre Handschrift zu hinterlassen. Was wollen Sie in dieser kurzen Zeit bewegen und umsetzen?
Steffen Freiberg:
Oberste Priorität hat die Gewinnung von Lehrkräften für unsere Schulen. Gute Schule für alle Kinder und Jugendliche funktioniert nur mit ausreichend Lehrerinnen und Lehrern. Außerdem wollen wir die Unterrichtsqualität weiterentwickeln, insbesondere um die mathematischen und sprachlichen Kompetenzen in der Schülerschaft zu fördern. Wir müssen im Kita-Bereich gut aufgestellt sein, Corona-Folgen und Krisen bewältigen.

DHB: Nach wie vor gibt es den Trend, dass möglichst viele Schulabgänger studieren wollen. Wie wollen Sie die Berufsorientierung an den Schulen so qualifizieren, dass auch wieder stärker Lehrberufe und das Handwerk als attraktive Karrierewege betrachtet werden?
Steffen Freiberg:
Schülerinnen und Schüler müssen in erster Linie dazu befähigt werden, ihre Stärken, Neigungen und Interessen realistisch einschätzen zu können, um selbst eine qualifizierte Berufswahlent­scheidung zu treffen. Die Berufsorientierung in unseren Schulen vermittelt jetzt schon die Vielfalt und Gleichrangigkeit von Berufswegen. Die Stärkung der (dualen) Ausbildungsorientierung, insbesondere an Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe und Gymnasien, ist Teil der aktuellen "Landesstrategie zur Beruflichen Orientierung". Durch die Kooperation mit der Handwerkskammer Cottbus zum Projekt "Berufliches GymnasiumPLUSHandwerk" beschreiten wir auch an beruflichen Gymnasien einen besonderen Weg: Die Verbindung zwischen Abitur und Meisterausbildung im Handwerk. Hier bekommen Schülerinnen und Schüler schon frühzeitig einen tiefen Einblick in die Welt des Handwerks.

DHB: Ihre Amtsvorgängerin appellierte wiederholt an die Schulen im Land, Konzepte zur beruflichen Orientierung umzusetzen, Bewerbertrainings durchzuführen und Berufspraktika zu organisieren. Warum wird das zu selten praktiziert?
Steffen Freiberg:
Letztere Aussage kann ich nicht bestätigen. Brandenburger Schulen leisten hier schon sehr gute Arbeit: Schülerbetriebspraktika, Schüler­ firmen, Bewerbungstrainings ... Die Prognos-Studie aus dem Jahr 2021 bescheinigt uns: Brandenburg hat in Sachen beruflicher Orientierung ein umfassendes Maßnahmenpaket etabliert, das Schülerinnen und Schüler grundsätzlich zielführend in ihrem Berufswahlprozess unterstützt. Einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Berufswahlkompetenz der jungen Menschen haben dabei vor allem kontinuierliche Interventionen sowie Maßnahmen mit hohem Praxisbezug wie etwa das Praxislernen.

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DHB: Im Handwerk werden händeringend Azubis gesucht. Viele Betriebe bieten Praxistage oder gar Praxiswochen an, um Schüler von ihren Gewerken begeistern zu können. Die Schnittstelle, um an die Schüler heranzukommen, sind die Lehrer. Auch sie müssen begeistert werden. Doch dafür ist in den Lehrplänen kaum Zeit verfügbar. Wie lässt sich das ändern?
Steffen Freiberg:
Das "Netzwerk Zukunft. Schule und Wirtschaft für Brandenburg e. V." bietet allen Schulleitungen und Lehrkräften Fortbildungen in Sachen "Exzellenz in der beruflichen Orientierung" an, das MBJS fördert das. Darüber hinaus haben brandenburgische Lehrkräfte die Möglichkeit, ein Lehrerbetriebspraktikum zu absolvieren sowie an Online-Fortbildungen zu berufsorientierenden Themen oder an den Berufsorientierungstourneen teilzunehmen. Lehrerinnen und Lehrer werden also auf vielen Wegen für die berufliche Orientierung begeistert.

DHB: Welche Förderungen für die Durchführung von Werkstatt- und Praxiswochen gibt es aktuell?
Steffen Freiberg:
Schulen im Land Brandenburg haben derzeit die Möglichkeit, über das ESF+­ Programm "Praxisnahe Berufsorientierung" eine Förderung für die Durchführung von Berufsorientierungsprojekten zu erhalten. Gefördert werden die drei Projekttypen "Berufsweltprojekte", "Praxis­ lernen in Betrieben" sowie "Praxislernen in Werkstätten".

Alle Projekte zielen auf die Entwicklung der Berufswahlkompetenz von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 7 bis 10 ab. Das Programm wird von zwei Regionalpartnern umgesetzt und aus Mitteln der Europäischen Union, des Landes Brandenburg und der Bundesagentur für Arbeit finanziert.

DHB: Überall im Land werden Fachlehrer für Berufsschulen gesucht. Wie wollen Sie die entstandene Lücke schließen?
Steffen Freiberg:
Derzeit unterrichten rund 2.000 Lehrkräfte an Brandenburgs beruflichen Schulen. Um weitere zu gewinnen, setzen wir auf einen Mix aus verschiedenen Maßnahmen: erfahrene Fachkräfte aus der betrieblichen Praxis, also Seiteneinsteigende, deren Expertise seit vielen Jahren erfolgreich ist. Darüber hinaus wird zukünftig eine landeseigene akademische Berufsschul-Lehrkräfteausbildung an der Universität Potsdam beginnen.

DHB: Wie erklären Sie sich, dass so wenige Studenten später Berufsschullehrer werden wollen?
Steffen Freiberg:
Studierenden ist aufgrund ihrer eigenen Bildungsbiografie erstmal die allgemein­ bildende Schule vertraut, weniger die Berufsschule. Es sei denn, sie haben vor ihrem Studium eine duale Ausbildung absolviert. Wir setzen auch darauf, dass im Laufe des Berufslebens der Wunsch entsteht, den erworbenen Erfahrungsschatz über den Betrieb hinaus weiterzugeben. Den Beruf einer Berufsschullehrkraft zu ergreifen, kann ein sehr interessanter Karriereweg sein. Und mit dem künftigen Angebot der Berufsschul-Lehrkräfteausbildung in Potsdam werden wir attraktiver.

DHB: In einem Flächenland wie Brandenburg haben viele Lehrlinge lange Anfahrtswege zu den Berufsschulen. Gibt es in Ihrem Haus Pläne, das Netz der Berufsschulen auszubauen?
Steffen Freiberg:
Ob eine Berufsschulklasse eingerichtet werden kann oder nicht, ist immer von der Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in dem jeweiligen Beruf abhängig. Wir wollen das landesweite Netz der 25 Oberstufenzentren erhalten und auch für die Zukunft gut aufgestellt sein bzw. das jetzige System optimieren. Dazu wollen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung erproben und die OSZ stärker miteinander vernetzen. In Kürze startet ein entsprechender Schulversuch, dessen Ergebnisse uns zeigen werden, wie wir die fortschreitende Digitalisierung für die berufliche Bildung gut nutzen können.

DHB: Mit welchen Mitteln könnte die duale Ausbildung attraktiver gemacht werden?
Steffen Freiberg:
Wir haben eine Ausbildungsoffensive aufgelegt, die deutlich macht: Mit einer abgeschlossenen dualen Ausbildung eröffnen sich vielfältige Karrierewege. Es muss nicht immer ein Studium sein, um ein gutes Einkommen zu erzielen und Erfolg im Berufsleben zu haben. Eine fundierte Ausbildung sollte in der Gesellschaft die gleiche Wertigkeit haben wie ein akademischer Abschluss. Wenn das alle begreifen, ist schon viel gewonnen. Eltern sollen stolz darauf sein, dass ihre Tochter zum Beispiel Tischlerin oder der Sohn Automechaniker wird.

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Text: / handwerksblatt.de

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