Ausbildung und Abitur miteinander kombinieren
Viele Schüler stehen vor der Wahl: Ausbildung oder Abitur?! Dabei geht doch auch beides. In neun Bundesländern besteht die Möglichkeit, eine Lehre mit dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife zu verbinden.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Einstieg in die Ausbildung
Ein Angebot – viele Varianten. "Es gibt nicht das BerufsAbitur", betont André Weiß, Referatsleiter in der Abteilung Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). De facto könne man unter diesem Begriff in neun Bundesländern eine Berufsausbildung mit dem Abitur kombinieren. Dabei werde zwischen zwei Modellen unterschieden – dem integrativen und dem konsekutiven.
BerufsAbitur: zwei Modelle
Berlin und Sachsen haben sich für das integrative Modell entschieden. "Hier verlaufen die Berufsausbildung und der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife mehr oder weniger gleichzeitig und miteinander verwoben", erklärt André Weiß.
Das konsekutive Modell wird in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz angeboten. Die Auszubildenden absolvieren ihre Berufsausbildung und eignen sich parallel zunächst die Fachhochschulreife an. "Daran schließt optional ein einjähriger, vollzeitschulischer Bildungsgang an, der separat von der dann abgeschlossenen Berufsausbildung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife führt", verdeutlicht der ZDH-Berufsbildungsexperte.
Doch auch in den Bundesländern mit dem konsekutiven Modell gebe es teilweise unterschiedliche Ausformungen. Beispielsweise werde derzeit in Niedersachsen eine neue Variation des konsekutiven Modells erprobt. "Die Landesregierung fördert an einigen Schulen ein Modellprojekt, bei dem im zweiten Ausbildungsjahr der erforderliche Zusatzunterricht an einem zweiten Berufsschultag angeboten wird."
Auswahl der Ausbildungsberufe
Im Prinzip kann das "BerufsAbitur" mit jedem Ausbildungsberuf kombiniert werden. Je nach Modell stößt die Auswahl jedoch an ihre Grenzen.
Enge Verzahnung der Inhalte
Beim integrativen Modell werden die schulischen Inhalte zum Erwerb der Hochschulreife eng mit der Ausbildung verzahnt. Dies ist am einfachsten zu organisieren, indem die berufsbildenden Schulen die Auszubildenden eines Berufs zu einer eigenen Fachklasse zusammenziehen. "In Sachsen hat man dies im Handwerk mehrfach für die Elektroniker und Metallbauer versucht, ist aber bisher leider daran gescheitert, die Mindestzahl von 16 Schülerinnen und Schülern für eine Klasse zusammenzubekommen", erklärt André Weiß.
Besser scheint es in Berlin zu laufen. In der Bundeshauptstadt werde das integrative Modell seit vier Jahren im Rahmen eines Modellversuchs bei den Anlagenmechanikern für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und außerhalb des Handwerks bei den Hotelfachleuten erprobt. "Dies wird vom Bildungssenat bislang als sehr positiv bewertet."
Entkoppelung des fachspezifischen Unterrichts
Im Rahmen des konsekutiven Modells lässt sich ein Ausbildungsberuf leichter mit dem "BerufsAbitur" verknüpfen, weil der Unterricht zum Erwerb der Fachhochschul- bzw. Hochschulreife komplett vom fachspezifischen Unterricht entkoppelt ist. "In solch einer Klasse können also Bankkaufleute und Industriemechaniker neben Zimmerern oder Friseuren sitzen", verdeutlicht der ZDH-Berufsbildungsexperte.
Entkoppelt bedeutet, dass der Zusatzunterricht in der Freizeit des Auszubildenden angeboten wird. Dies kann vor oder nach dem regulären Unterricht der Berufsschule oder am Samstag sein. Eine einheitliche Regelung gibt es nicht. André Weiß verweist in diesem Zusammenhang wieder auf die vielfältige Schullandschaft. "Der Zusatzunterricht wird auch nicht zwangsläufig an der Berufsschule des Auszubildenden angeboten, sondern gegebenenfalls an einer anderen berufsbildenden Schule in der Region."
Schwierige Vermarktung
Auf Bundesebene lässt sich das "BerufsAbitur" mitunter schwierig vermarkten. André Weiß führt dies auf die "Unterschiedlichkeiten in der bundesdeutschen Schulpolitik" zurück. Die Kultusministerkonferenz verwende die allgemeine Bezeichnung "Duale Ausbildung und Abitur". Für das Ausbildungsmarketing sei dies allerdings zu sperrig.
Doch selbst in den neun Bundesländern, die sich für den hybriden Bildungsgang entschieden haben, gebe es keine einheitliche Bezeichnung. In Bayern und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel würden sich das Handwerk und die Bildungsministerien sehr deutlich positionieren und die Kombination aus Lehre und Hochschulreife unter dem Namen "BerufsAbitur" öffentlichkeitswirksam unterstützen. Dagegen ist Baden-Württemberg zögerlicher. "Dort sorgt man sich darum, dass das BerufsAbitur mit anderen Bildungsangeboten im Abiturbereich verwechselt werden könnte", so André Weiß.
Erfolgsmodell "BerufsAbitur"?
Ob das "BerufsAbitur" ein Erfolg ist, lässt sich nicht mit harten Fakten belegen. Dem Zentralverband des Deutschen Handwerks liegen keine Zahlen vor, wie viele Auszubildende aus dem Handwerk sich für eines der beiden Modelle des "BerufsAbiturs" entschieden haben und ob sie nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Rahmen des konsekutiven Modells ins Handwerk zurückkehren. "Die statistische Datenerfassung der Länder ist leider nicht so angelegt, dass sich Bildungsverläufe und das Übergangsverhalten von einem Bildungsgang in einen anderen nachvollziehen lassen", bedauert André Weiß.
Wertvoll für das Ausbildungsmarketing
Aus den Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen der Handwerksorganisationen vor Ort weiß er aber, dass sich das "BerufsAbitur" als wertvolles Instrument im Ausbildungsmarketing nutzen lässt. "In der Berufsorientierung kann es bei Eltern und Schülern Türen öffnen, die vor der Wahl zwischen einer Ausbildung und dem Abitur stehen." Von vielen, die aufs Abitur fokussiert seien, werde die berufliche Bildung immer noch als Sackgasse betrachtet. Dabei wüssten etwa die meisten Eltern nicht, dass bereits die bestandene Gesellenprüfung meist zur Aufnahme eines fachgebundenen Studiums berechtigen kann. Insofern soll vom "BerufsAbitur" eine Signalwirkung ausgehen. "Damit zeigen wir, dass eine Ausbildung und der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife miteinander vereinbar sind."
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Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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