Verbots-Klausel der Mercedes-Bank für Dieselkäufer ist unzulässig
Die Mercedes-Bank wollte in ihren Finanzierungsverträgen den Kunden verbieten, im Diesel-Skandal Schadensersatz vom Konzern einzufordern. Der Bundesgerichtshof schob dem nun einen Riegel vor.
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Mit Verbots-Klauseln in ihren Verträgen wollte die Mercedes-Bank ihre Kredit-Kunden daran hindern, wegen eines Schummel-Diesel Schadensersatz vom Mutterkonzern einzuklagen. Das haben die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) jetzt als unrechtmäßig beurteilt. Käufer eines Mercedes-Diesel haben mit dem Abschluss ihres Autokredits demnach nicht auf sämtliche Schadensersatzforderungen verzichtet.
Der Fall
Im Frühjahr 2019 hatte ein Kunde einen Mercedes GLC 250 für 55.335,89 Euro als Neuwagen gekauft und diesen zu großen Teilen über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank finanziert. Nachdem bekannt wurde, dass die Abgasreinigung des Mercedes-Fahrzeugs mittels sogenannter Thermofenster manipuliert wurde, ging der Käufer juristisch gegen den Autobauer vor. Die Technik, die auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wird, schaltet bei kühleren Temperaturen die Abgasfilter automatisch ab. Der Kunde verlangte die Rückabwicklung seines Kaufvertrages und die Freistellung von den restlichen Darlehensraten.
Vor den unteren Gerichten blieb der Autofahrer noch ohne Erfolg. Dort wurde argumentiert, dass er etwaige Ansprüche in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) seines Finanzierungsvertrages an die Bank abgetreten habe. In dem Vertrag hieß es unter anderem: "Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende – gegenwärtige und zukünftige – Ansprüche an den Darlehensgeber ab, […] ."
Nach den Angaben des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart findet sich diese Klausel "regelmäßig" in den Darlehensbedingungen der Bank.
Das Urteil
Der Bundesgerichtshof (BGH) hingegen hat entschieden, dass diese AGB-Klauseln der Mercedes-Bank den Schadensersatz der Käufer nicht verhindern dürfen. Die Klausel sei zu weit gefasst. Sie sei unwirksam, weil sie Verbraucher unangemessen benachteilige.
"Die Abtretungsklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie zulasten des Klägers als Verbraucher und Vertragspartner zweier verbundener Verträge von zu seinen Gunsten zwingenden Vorschriften abweicht", so das Urteil wörtlich. "Damit ist sie insgesamt unwirksam". Mercedes weiche von zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab – und zwar zum Nachteil der Verbraucher.
OLG muss erneut verhandeln
Der BGH hat das Verfahren an das OLG Stuttgart zurückverwiesen. Dieses muss nun klären, ob dem Mercedes-Fahrer ein Schadensersatz zusteht. Zwar urteilte der BGH in der Vergangenheit, dass Mercedes seine Kunden nicht vorsätzlich geschädigt habe und daher keinen Schadensersatz leisten müsse. Hierzu läuft auch eine Musterklage der Verbraucherzentralen gegen den Stuttgarter Autokonzern.
Deutsche Richter sind aber an die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gebunden. Und der EuGH hat die Hürden für Schadensersatzansprüche gegen Autobauer viel niedriger angesetzt: Er hat zuletzt entschieden, dass eine fahrlässige Schädigung ausreicht, um sie auszulösen. Am 8. Mai 2023 werden die BGH-Richter klären, wie sie dieses EuGH-Urteil in ihre Rechtsprechung übertragen.
"Das heutige BGH-Urteil kommt gerade zur richtigen Zeit, denn am 8. Mai wird der Bundesgerichtshof einem Mercedes-Benz-Besitzer vermutlich erstmals Schadensersatz wegen des Abgasskandals zusprechen", meint Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen gleichnamige Kanzlei unzählige Verbraucher im Abgasskandal vertritt.
Diese Rechte haben betroffene Verbraucher im Abgasskandal
Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen können ihr Auto an den Hersteller zurückgeben. Im Gegenzug erhalten sie eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es oft auch möglich, das Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. April 2023, Az. VIa ZR 1517/22
Grundsatz-Urteil für Diesel-Käufer Am 25. Mai 2020 erklärte der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 252/19): Der Besitzer eines VW mit Schummel-Software darf seinen Wagen zurückgeben und erhält einen Teil seines Kaufpreises als Schadensersatz zurück, ebenso wie Verzugszinsen. Denn VW habe ihn sittenwidrig getäuscht. Allerdings darf der Autokonzern für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung abziehen. Damit hat der BGH für Klarheit gesorgt. Denn an den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Karlsruhe orientieren sich alle unteren Instanzen.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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