Das Handwerk in Gelsenkirchen verdient mehr Wertschätzung, finden fünf Akteure, die die Stärken der "Wirtschaftsmacht von nebenan" mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken wollen: Dafür haben die Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen, die Kreishandwerkerschaft (KH) Emscher-Lippe-West, die Handwerkskammer (HWK) Münster, die Agentur für Arbeit und das Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen eine enge Kooperation vereinbart.
"Das Handwerk ist ein elementares Fundament der Gelsenkirchener Wirtschaft", stellte Rainer Schiffkowski, Referatsleiter Wirtschaftsförderung, fest, als er Repräsentanten der Partner zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung im Ratssaal der Stadt begrüßte. Schiffkowski weiß um die Bedeutung des Handwerks in Gelsenkirchen: Hier gibt es rund 2.300 Handwerksbetriebe mit 17.200 Beschäftigten, knapp über 1.000 Auszubildenden und einem Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. "Damit ist das Handwerk ein wichtiger Wirtschaftszweig, der historisch gewachsen und mit Familienunternehmen gesellschaftlich tief verwurzelt ist in unserer Stadt." Mit der Kooperation wolle die Wirtschaftsförderung gemeinsam mit den Partnern die Weichen für eine Kampagne zum Wohle des Handwerks in Gelsenkirchen stellen.
Neue Impulse für die Entwicklung
Kreishandwerksmeister Holger Augustin, der auch HWK-Vorstandsmitglied ist, betonte mit Verweis auf den unvollendeten Strukturwandel im nördlichen Ruhrgebiet, dass die Handwerkskammer neue Impulse für eine gute Entwicklung der Emscher-Lippe-Region setzen wolle. In Gelsenkirchen stehe die KH an ihrer Seite. Beide Organisationen seien davon überzeugt, dass der Erfolg des Wandels nur mit dem mittelständischen Handwerk gelinge. Die kleinen und mittleren Betriebe seien lokal verwurzelt und trügen zur nachhaltigen Entwicklung der Region samt Fachkräften und Integration vieler Menschen bei. "Das Handwerk ist Teil der Lösung", fasste Augustin zusammen.
Der Kreishandwerksmeister berichtete, dass das Handwerk in Gelsenkirchen besser aufgestellt sei als der Durchschnitt im Ruhrgebiet insgesamt: Je tausend Einwohner sind in Gelsenkirchen 67 Personen im Handwerk tätig – 9 mehr als in der Region Ruhr. Je Einwohner werden 7.964 Euro Umsatz gemacht – rund 1.700 Euro mehr als im Ruhrgebiet.
Mehr Handwerk nötig!
Dennoch sei der Bedarf an mehr Handwerk enorm, unterstrich Augustin. Branchen, die zum produzierenden Gewerbe gehörten, seien unterrepräsentiert – wie zum Beispiel Elektro-, Metall- und Holzbetriebe, die oftmals als Zulieferer tätig seien. Indessen sei der Bestand am dienstleistungsorientierten Kleingewerbe wie Friseure und Kosmetiker in Gelsenkirchen relativ hoch. "Das Ziel sollte ein besserer Branchenmix sein", hielt der Kreishandwerksmeister fest. Gebraucht würden zunehmende unternehmerische Ambitionen Einzelner und gebündelte Kräfte der zuständigen Institutionen für bessere Rahmenbedingungen.
In der Zusammenarbeit wolle das heimische Handwerk als attraktiver Arbeitgeber, Ausbilder, Problemlöser und Erfolgsfaktor für den Strukturwandel präsenter sein. Nach dem Start in Gelsenkirchen werde es in Bottrop und im Kreis Recklinghausen weitere Kooperationen geben, kündigte Augustin an.
Imagekampagne zeichnet modernes Bild
Die Partner vermittelten durch verstärkte Präsenz der Imagekampagne des deutschen Handwerks in Gelsenkirchen ein zeitgemäßes Bild der Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppe, vor allem bei jungen Menschen, erklärte HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz. Die Botschaft laute: "Das Handwerk treibt Qualifizierung, Zukunftstechnologien, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz voran. Handwerk steht für die ortsnahe Versorgung und das familiengeführte Unternehmertum. Es ist Mittelstand pur." Das Handwerk biete Lösungen zu den großen Zukunftsherausforderungen an, und das solle öffentlich noch bekannter werden. Lokale Betriebe und die Karrieremöglichkeiten durch Aus- und Weiterbildung würden vorgestellt. "Von der vereinbarten neuen Partnerschaft profitieren die Stadt und das Handwerk gleichermaßen", war Banasiewicz sicher.
Frank Thiemann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Gelsenkirchen, warb sogleich für eine Ausbildung im Handwerk: "Vielfältige Aufgaben, eigene Begabungen ausleben und kreativ sein, das alles sind Möglichkeiten, die Berufe im Handwerk bieten." Und doch bleibe für viele Handwerksbetriebe die Suche nach Nachwuchskräften eine große Herausforderung. Das Ausbildungspotenzial des Handwerks werde seit Jahren von den Jugendlichen nicht ausgeschöpft und Zukunftschancen nicht genutzt.
Volle Bücher, zu wenig Nachwuchs
Dabei würden gerade im Handwerk Fachkräfte und Azubis händeringend gesucht. Die Auftragsbücher seien voll, Vorlaufzeiten bei Terminen würden immer länger. "Also eine Branche, die hervorragende Perspektiven für die Zukunft bietet und vor allem gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Daher ist es ganz wichtig, den jungen Menschen die Vorteile und starken Berufsaussichten zu zeigen, die eine Ausbildung im Handwerk mit sich bringt." Die Kampagne solle dazu beitragen, dass die Jugendlichen einfach mal über ein Praktikum den Blick über den Tellerrand wagten, um zu erkennen, Handwerk habe wirklich noch goldenen Boden, empfahl Thiemann.
Die Handwerksbetriebe in Gelsenkirchen böten jungen Menschen vielfältige Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort, bekräftigte Anke Schürmann-Rupp, Geschäftsführerin des Integrationscenters für Arbeit. Die Bandbreite reiche von Augenoptiker bis Zahntechniker. Die Berufe im Handwerk seien für junge Frauen und junge Männer geeignet; sie böten eine qualifizierte Ausbildung und nach der Ausbildung Übernahme- und Entwicklungsperspektiven. "Insofern sind sie eine gute Basis für den Einstieg ins Berufsleben und eröffnen Chancen für die berufliche Entwicklung." Es lohne sich, im Rahmen des Schülerpraktikums oder einer Einstiegsqualifizierung in Handwerksbetrieben erste Erfahrungen zu sammeln, so Schürmann-Rupps Ermunterung.
Hintergrund Die Kooperationsvereinbarung zur Stärkung des Handwerks in Gelsenkirchen gilt unbefristet.
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Text:
Vera von Dietlein /
handwerksblatt.de
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