Prof. Dr. Herbert Fitzek lehrt Wirtschafts- und Kulturpsychologie an der BSP Businesss School Berlin. (Foto: © Karsten Hintzmann)

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Unsicherheitsfaktor Mensch - das rät der Psychologe

Betriebsführung

Die Auswirkungen der Globalisierung sowie die Herausforderungen der Digitalisierung verändern die Arbeitswelt von heute radikal.

Die Auswirkungen der Globalisierung sowie die Herausforderungen der Digitalisierung verändern die Arbeitswelt von heute radikal. Wie kann man sich als Chef und Arbeitgeber in einem mittelständischen Betrieb darauf einstellen? Antworten darauf gibt der Psychologe und Coach Professor Herbert Fitzek, der an der Business School Berlin lehrt und jüngst im Rahmen einer Tagung des Deutschen Handwerksinstituts seine Forschungen zu den Chancen und Risiken der Digitalisierung für das Handwerk vorstellte.

Wie verändert sich die Arbeitswelt, vor allem im Mittelstand?

Heute gibt es das weit verbreitete Schlagwort Digitalisierung, das jedoch nicht ansatzweise die damit zusammenhängenden strukturellen  Änderungen beschreibt. Die Veränderungen betreffen zum einen die Technologien, aber immer stärker wird klar, dass der Mensch mitgenommen werden muss. Das kommt zum Beispiel in der Gründung der inzwischen regionalen 25 Kompetenzzentren für den Mittelstand zum Ausdruck, die plötzlich den Faktor Mensch für sich entdeckt haben. Das ist der zentrale und zugleich auch am schwierigsten einzuschätzende Faktor überhaupt in diesem Veränderungsprozess.  Denn der Prozess kann nicht automatisch, nicht maschinell vorangetrieben werden, sondern er hat mit all dem zu tun, was der Mensch kann, dass er flexibel, intelligent und kreativ ist. Und dass er auf der anderen Seite auch sperrig ist, dass es Widerstände gibt, dass er Gewohnheiten folgt, dass er zuweilen paradox denkt und viele widersprüchliche Eigenschaften in sich vereinigt. 

Hat vor diesem Hintergrund die Integration von Migranten und Geflüchteten Einfluss auf die Kultur in Unternehmen?

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Es wäre blauäugig zu sagen, fremde Kulturen ändern nicht auch die Kultur eines Unternehmens. Das Thema Migration wird jedoch häufig als ein politischer oder auch sozialer und mitmenschlicher Faktor gesehen und weniger als etwas, was Unternehmen kalkulieren können. Dabei würden sich gerade für den Mittelstand erhebliche Potenziale bieten, wenn sie beispielsweise Ingenieure aus Syrien oder Afghanistan integrieren, die über gute Vorkenntnisse verfügen. Daraus könnten gute Fachkräfte werden und das wäre weit mehr als nur ein Akt der Barmherzigkeit.

Sollte man mit Flüchtlingen anders umgehen als mit deutschen Mitarbeitern?

Natürlich müsste man sich auf diese neuen Mitarbeiter auch einstellen. Jemanden, der aus einer Großfamilie kommt, kann man nicht einfach ins Homeoffice schicken. Und auch für den Telefondienst sind diese zu uns kommenden Arbeitskräfte möglicherweise eher nicht geeignet. Der Mittelständler sollte also im Vorfeld ein klares Anforderungsprofil erstellen und auf dieser Basis entscheiden, wer zu ihm passen und das Unternehmen auf seine Weise auch beleben könnte.


Generation Golf, Generation Y, Generation Z – sind wir am Ende der Generationen? Und was kommt jetzt?

Man könnte es fast hoffen, da nach Z im Alphabet nichts mehr kommt. Aber da komme ich wieder zum Faktor Mensch - so schnell ist der Mensch nicht. Es ist nicht so, dass früher eine solche Generation 50 Jahre dauerte und heute nur noch zehn Jahre. Das, was die Wissenschaft über die Generation Y sagt, also dass sie sich viel schneller auf die Digitalisierung und auf agile Strukturen einstellt und dass sich der Mittelstand von diesem Alten und Traditionellen wegbewegen muss, dass die Strukturen flüssiger und weniger statisch sind, all das kann ich bestätigen. Dass jetzt bereits eine Generation Z da sein sollte, bei der sich alles ändert, sehe ich nicht. Zumal die Veröffentlichungen zur Generation Z genau das gleiche sagen wie die über die Generation Y. Es gibt einige, die "digital natives", die das Dynamische antreiben und sich da mit Schwung reinhängen. Und es gibt andere, die sagen, wir brauchen wieder einen verlässlichen Rahmen, eine gute Umwelt, wir gehen nicht mehr in Coworking Spaces, sondern brauchen unseren Arbeitsplatz.  Diese Polarität ist aktuell das, was die Generation beherrscht.

Welche Auswirkungen haben so einschneidende Entwicklungen wie die Digitalisierung? Und was ändert sich für die Betriebe?

Da rüttelt durchaus etwas an den Strukturen. Und das sogar mit einem Kränkungsfaktor. Denn fast jeder Azubi oder Praktikant ist heute dem Senior in Fragen der Digitalisierung überlegen. Das ist eine ungekannte Entwicklung, denn bislang war es doch stets so, dass der Gründer oder Inhaber der große und respektierte Erfahrungsträger war. 

Was empfehlen Sie Firmeninhabern oder auch älteren Angestellten, die das Gefühl haben, von der Digitalisierung überrollt und überfordert zu werden?

Es gibt viele ältere Inhaber, die sich bewusst auf diese neuen Herausforderungen einstellen und sie aktiv mitgestalten. Diejenigen, die das nicht wollen, sollten sich eine Vertrauensperson im Unternehmen suchen, mit der man sich informell austauschen kann, bevor man sich Blößen gibt. Dann gibt es natürlich auch diverse Informationsangebote von den Kammern und den Kompetenzzentren, die man in Anspruch nehmen kann. Eines wird man meist nicht schaffen: Dass man sich - wie in Großbetrieben - eine eigene IT-Abteilung aufbaut. Daher braucht man für den spezifischen Umgang  mit der Digitalisierung in jedem Fall eine Strategie.

Haben Sie einen Tipp für die vielen Unternehmensinhaber, die eine Nachfolge suchen?

Früher ließ sich der Lauf eines Unternehmens wie ein Hindernisrennen beschreiben: Ab und an kam da ein Wassergraben, da fiel man hinein und danach ging es weiter.  Heute passt das Bild eines Staffellaufs: Man läuft nicht nur 400 Meter und gibt dann den Stab weiter, sondern bereits vorher läuft der nächste Starter los und übernimmt im vollen Lauf. Man muss sich schon in der Phase, in der der Inhaber noch voller Kraft und Ideen steckt, um den Nachwuchs kümmern, ihn auswählen, Teilverantwortung übertragen und auf die künftige Aufgabe vorbereiten. Früher wurde das meist innerhalb der Familie geregelt. Das ist heute nicht mehr so und deshalb muss frühzeitig der Blick geweitet werden, um einen geeigneten externen Nachfolger aufzubauen. Das ist ein Prozess, der oft Jahre braucht.


Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Handwerk? Betätigen Sie sich manchmal auch selbst als Hobbyhandwerker?

Das tue ich und es geht regelmäßig schief. Ich komme aus einer Kaufmannsfamilie, der handwerkliche Fertigkeiten nicht in die Wiege gelegt waren. Aber ich bin immer fasziniert, wenn ein Handwerker kommt und in meiner Wohnung etwas mit wenigen Handgriffen löst, wo ich gerade vor dem Untergang des Abendlandes stand.

Als Kölner, der lange am Rhein gelebt hat und jetzt in Berlin arbeitet: Sehen Sie Unterschiede im Verhalten der Menschen? Gibt es überhaupt regional verschiedene Mentalitäten?

Meine Erfahrungen aus 15 Jahren Pendeln zwischen Berlin und Köln besagen, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Ein Beispiel: Der Berliner denkt, um etwas sagen zu können. Der Kölner sagt etwas, um zu denken. Das führt zu ganz komischen Situationen. Wenn ich als Rheinländer irgendwo sitze und keiner sagt etwas, denke ich, da passiert nichts. Dabei denken die eben noch. Umgedreht, wenn ich etwas sage, denkt der Berliner, es sei meine Meinung. Dabei will ich ja erst mal rausbekommen, ob das, was ich sage, wirklich meine Meinung ist. 

Das Interview führten Michael Block und Karsten Hintzmann.

 

Text: / handwerksblatt.de

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