Mitbestimmung: So wählt das Handwerk sein Parlament
Bei vielen Handwerkskammern stehen in diesem Jahr Wahlen zur Vollversammlung an - das Parlament des Handwerks. Aber wie läuft so eine Wahl eigentlich ab, wer kann sich da engagieren und warum ist das so wichtig?
Bei etlichen Handwerkskammern stehen in diesem Jahr Wahlen zur Vollversammlung an. Dafür brauchen die Kammern Persönlichkeiten, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Für die Kammern ist diese demokratische Wahl ein zentrales Ereignis. Die Männer und Frauen, die in die Vollversammlung gewählt werden, vertreten die Interessen aller Handwerker, der Selbstständigen wie auch die der Mitarbeiter und Azubis. Sie bilden das Parlament des Handwerks. Alle fünf Jahre gibt es bei der Handwerkskammer Wahlen zur Besetzung der Vollversammlung.
Das Besondere daran ist die Mitbestimmung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer: Zwei Drittel der Mitglieder sind Betriebsinhaber und ein Drittel sind Gesellen oder andere Arbeitnehmer, die in einem Handwerksbetrieb arbeiten.
Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist einzigartig in Europa
Foto: © DHBAus der Mitte der Vollversammlung werden der Vorstand, der Präsident und seine beiden Stellvertreter gewählt. Einer der beiden Vizepräsidenten ist ein Arbeitnehmer. Diese Beteiligung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einer Kammer ist einzigartig in Deutschland und Europa. Das gibt es bei keiner anderen Organisation, weder bei den Industrie- und Handelskammern, noch bei den Ärzten oder Rechtsanwälten.
Da das Handwerk sehr vielfältig ist, sollen die Mitglieder des Kammerparlaments die verschiedenen Gewerkegruppen repräsentieren. Es gibt eine Quote, die anhand der Zahl der eingetragenen Betriebe, deren Gewinn beziehungsweise Umsatz sowie der Beschäftigten- und Auszubildendenzahl ermittelt wird. So wird festgelegt, wie viele VV-Mitglieder zum Beispiel aus den Bau- und Ausbauhandwerken kommen müssen, wie viele Metaller vertreten sein sollen und wie viele Nahrungsmittelhandwerker.
Kreishandwerkerschaften reichen Vorschläge ein
Als höchstes beschlussfähiges Organ entscheidet die Vollversammlung unter anderem über den Haushalt der Kammer, sie erlässt Vorschriften über die Berufsausbildung, berufliche Fortbildung und Umschulung. Rechtzeitig vor der Wahl wird der Aufruf des Wahlleiters zur Einreichung von Wahlvorschlägen in der jeweiligen Kammerzeitung - zum Beispiel dem Deutschen Handwerksblatt - veröffentlicht.
Dort wird genau beschrieben, wie man eine Liste mit Wahlvorschlägen erstellen kann und wie viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus welcher Gewerkegruppe für den Wahlvorschlag benötigt werden. Für jedes Mitglied müssen mindestens ein, höchstens zwei Stellvertreter vorgeschlagen werden. Die Handwerkskammer steht vor der Wahl in engem Kontakt mit den Kreishandwerkerschaften und bittet diese, Vorschläge einzureichen. Sie spricht zudem mit Betrieben und der Gewerkschaft über die Nominierung der Arbeitnehmerkandidaten.
Die Handwerkskammer unterstützt die Kreishandwerkerschaften dabei, aus allen Teilvorschlägen einen vollständigen Wahlvorschlag aller KHn zusammenzustellen. Die Handwerkskammern bitten die Kreishandwerkerschaften ausdrücklich darum, auch Handwerker vorzuschlagen, die nicht in einer Innung organisiert sind.
Außerdem bittet sie, alle Handwerker zu berücksichtigen, die zentral organisiert sind – wie zum Beispiel die Hörgeräteakustiker, die über eine Bundesinnung vertreten werden. Sind die Wahllisten komplett, werden sie rechtzeitig in dem jeweiligen Kammermedium veröffentlicht. In der Regel gibt es am Wahltag nur diesen einen Wahlvorschlag der Kreishandwerkerschaften. Die dort aufgelisteten Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gelten als gewählt (sogenannte Friedenswahl, siehe unten).
Die Handwerksordnung geht aber von einer echten Wahl aus. Wenn es also zwei oder sogar drei Listen für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerliste geben sollte, verschickt der Wahlleiter die Wahlunterlagen und es findet eine Briefwahl statt.
Hintergrund
Die Vollversammlung – das Parlament des Handwerks
Für die Wahl der Vollversammlung legt die Handwerkskammer zunächst den Wahltermin fest und bestellt einen Wahlleiter. Dieser beruft den Wahlausschuss und fordert zur Abgabe von Wahlvorschlägen auf. Akzeptiert werden nur komplette Listen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern plus jeweils deren Stellvertreter. Die Wahlvorschläge werden durch den Wahlausschuss geprüft. Sind sie korrekt, werden sie zur Wahl zugelassen.
Gibt es mehrere Listen, kommt es zur Direktwahl. In der Regel wird nur ein Wahlvorschlag für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingereicht, dann kommt es zur Friedenswahl. Die Personen, die auf den Listen stehen, gelten als gewählt. Bei der konstituierenden Sitzung der neu gewählten Vollversammlungsmitglieder werden der Präsident, der Vorstand und die Ausschüsse gewählt.
Kandidaten und Wahllisten
- Rechtzeitig vor der Wahl zur Vollversammlung ruft der Wahlleiter dazu auf, Wahlvorschläge einzureichen. Das geschieht zum Beispiel im Deutschen Handwerksblatt (DHB), dem offiziellen Mitteilungsorgan von 16 Handwerkskammern in Deutschland. Von diesem Zeitpunkt an, können Wahlvorschläge in Form von Listen eingereicht werden.
- Bewerber für die Arbeitgeberseite müssen Inhaber eines Betriebes sein, der in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke bzw. in das Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen ist. Das kann eine natürliche Person sein oder ein gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person, etwa der Geschäftsführer einer GmbH oder der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft.
- Der Bewerber muss mit diesem Betrieb seit mindestens einem Jahr im Bezirk der jeweiligen Handwerkskammer in die Handwerksrolle eingetragen sein.
Natürliche Personen müssen die Befugnis zum Ausbilden von Lehrlingen besitzen (für handwerksähnliche Gewerbe gilt das nur dann, wenn für den jeweiligen Beruf eine Ausbildungsordnung erlassen wurde). - Bewerber für die Arbeitnehmerseite müssen eine Gesellenprüfung oder eine vergleichbare Prüfung vorweisen. Bei handwerksähnlichen Gewerben reicht aus, wenn die Bewerber regelmäßig mit Arbeiten betraut sind, die gewöhnlich von einem Gesellen ausgeführt werden.
- Der Bewerber muss am Wahltag volljährig sein.
- Jede Person und jede Organisation – also nicht nur Innungen und Kreishandwerkerschaften – kann eine Liste zur Wahl der Vollversammlung aufstellen, also Bewerber vorschlagen.
- Wichtig ist, dass der Wahlvorschlag komplett ist. Er muss die Namen so vieler Mitglieder und Stellvertreter auflisten, wie in der Vollversammlung sitzen. Außerdem müssen für jeden Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertreter Stellvertreter vorgeschlagen werden.
- Die Wahlvorschläge muss man spätestens am 35. Tag vor dem Wahltag beim Wahlleiter einreichen. Den Namen des Wahlleiters und weitere Details zum Prozedere erfährt man bei seiner Handwerkskammer.
Friedenswahl oder Direktwahl
Wahlberechtigt sind alle bei der Handwerkskammer eingetragenen Betriebe (Vollhandwerk und handwerksähnliches Gewerbe) durch ihre Vertreter. Zum Zeitpunkt der Wahl muss die Person volljährig sein. Juristische Personen und Personengesellschaften haben jeweils nur eine Stimme. Zur Wahl aufgerufen werden auch die Arbeitnehmer im jeweiligen Handwerkskammer-Bezirk, das sind die volljährigen Gesellen und andere Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung, die in einem Betrieb des Handwerks oder des handwerksähnlichen Gewerbes beschäftigt sind.
Wenn nur ein Wahlvorschlag für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer eingereicht wird, was überwiegend der Fall ist, gelten diese Personen als gewählt, ohne dass eine echte Wahl stattfindet. Eine Direktwahl gibt es dann, wenn es mehrere Listen für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerliste gibt. Dann verschickt der Wahlleiter die Wahlunterlagen an alle Mitglieder der Kammer, die ihre Stimme per Briefwahl abgeben. Arbeitgeber werden angeschrieben und erhalten ihre Wahlunterlagen mit Wahlschein, Stimmzettel, Wahlumschlag und Rücksendeumschlag.
In der Handwerksrolle werden die Daten jedes Unternehmens geführt, nicht aber die der Mitarbeiter. Arbeitnehmer im Handwerk werden deshalb durch das Deutsche Handwerksblatt von dem Wahlaufruf erfahren. Für die Wahlunterlagen benötigen sie eine Bestätigung ihres Arbeitgebers (Wahlberechtigungsschein). Sobald der Wahlleiter diesen Schein hat, verschickt er die Unterlagen. Ausgezählt werden die Stimmen durch den Wahlausschuss. Das Ergebnis wird in den Handwerksmedien, etwa dem Deutschen Handwerksblatt, und auf den Internetseiten der Handwerkskammer veröffentlicht.
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben